Eine Datei reicht: Experten fürchten Abmahnwelle nach neuem BGH-Urteil
Schon wer eine einzige Datei illegal zum Download anbietet, muss künftig mit der Weitergabe sein er Daten, Abmahnung und hohen Kosten rechnen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Verbraucherschützer fürchten eine neue Abmahnwelle – und kritisieren den BGH scharf.
Geht es nach dem Gesetz, war der Fall bisher eigentlich relativ klar – dachte man. Wenn jemand „gewerbsmäßig“ – also massenhaft oder zur Gewinnerzielung – fremde Daten wie Lieder oder Filme im Internet zum Download anbietet, muss sein Internetprovider den Rechteinhabern auf Antrag die Identität des Urheberrechtsverletzers herausgeben. Der Filesharer wird dann von Anwälten teuer abgemahnt und muss je nach Anzahl der veröffentlichten Dateien Schadensersatz zahlen.
Ein jetzt veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) stellt diese gesetzliche Regelung allerdings etwas auf den Kopf. Die Richter kamen nämlich zum Schluss, dass Rechtsinhaber nicht nur gegen gewerbliche Anbieter illegaler Inhalte vorgehen dürfen, sondern gegen jeden illegalen Filesharer – also auch gegen Internetnutzer, die zum Beispiel nur eine einzige Datei in Umlauf gebracht haben. „Gewerbsmäßig“, so der BGH, beziehe sich im Gesetzestext nämlich nicht auf das (illegale) Tun des Nutzers, sondern auf Arbeit des Providers, also die Bereitstellung des Internetzugangs.
Das BGH-Urteil mit seiner Auslegung des Gesetzestextes stößt seit der Veröffentlichung auf massive Kritik – und löst große Sorgen aus. „Das Urteil wird eine neue Abmahnwelle auslösen“, sagte etwa der Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Berlin, Peter Lischke, dem „Tagesspiegel“. „Die Entscheidung aus Karlsruhe ist wirklich ein starkes Stück. Auch weil sie zeigt, wie ein Gericht sich mit akrobatischen Gedankengängen nicht nur vom Gesetz selbst, sondern auch vom erklärten Willen des Gesetzgebers zu lösen vermag. Da kann einem wirklich schwindlig werden“, schreibt der bekannte Anwalt und Blogger Udo Vetter in seinem lawblog.de. „Bleibt wieder Mal nur die Hoffnung, dass man am benachbarten Bundesverfassungsgericht bodenständiger denkt, und vor allem weniger zielorientiert. Kurz gesagt: hinreichenden Respekt vor dem Gesetz zeigt.“ Und der Anwalt Thomas Stadler kommt zum Schluss: „Es sind also einmal mehr handwerkliche Mängel der Gesetzgebung, die dem BGH eine Auslegung ermöglichen, die ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht gewollt war.“
Tatsächlich ist der BGH nicht das erste Gericht, dass die Gewerbsmäßigkeit auf die Tätigkeit des Providers bezog. Ähnlich argumentierte auch schon 2009 das Landgericht Bielefeld. Für Internetnutzer hat der BGH-Spruch vor allem eine Konsequenz: Er tut gut daran, sich von Tauschbörsen grundsätzlich fern zu halten. Schon die Freigabe einer einzigen urheberrechtlich geschützten Datei kann ihn nämlich Dank des Bundesgerichtshofs in die Mühlen der industriell betriebenen Abmahn-Maschinerie bringen – mit kaum überschaubaren finanziellen Folgen für sich, seine Eltern oder den Inhaber des verwendeten Internetanschlusses.