Redtube-Abmahnungen: Namen hätten nicht herausgegeben werden dürfen
Das Ansehen von Streams im Internet ist kein Verstoß gegen das Urheberrecht. Das hat das Landgericht Köln festgestellt und damit seine eigenen Entscheidungen im Fall der Redtube-Abmahnungen korrigiert: Die Namen der Abgemahnten hätten gar nicht herausgegeben werden dürfen.
Anfang Dezember hatte die Regensburger Kanzlei Urmann & Kollegen tausende Internetnutzer abgemahnt, weil diese angeblich Videostreams auf dem Porno-Portal Redtube angesehen hätten. Die Betroffenen hätten damit das Urheberrecht einer Firma namens „The Archive“ verletzt, hieß es. Die Abgemahnten sollten eine Unterlassungserklärung abgeben und pro Fall 250 Euro bezahlen.
An die Namen der Abgemahnten war die Kanzlei mithilfe des Landgerichts Köln gekommen. Das hatte in etlichen Fällen angeordnet, dass die Telekom die Namen und Adressen der angeblichen Porno-Konsumenten herausgeben muss. Genauer: Die Namen und Adressen der Menschen, auf die die Internetanschlüsse registriert waren, über die die Videos angeblich abgerufen wurden.
Was der Redtube-Abmahnwelle folgte, war ein Sturm der Empörung. Juristen und IT-Experten stellten viele Fragen, die das Landgericht offensichtlich nicht gestellt hatte: Wie kamen die Abmahner an die IP-Adressen der Betroffenen? Wer steckt hinter der Firma „The Archive“? Was hat es mit der angeblichen Software auf sich, über die die Daten der Betroffenen gespeichert wurden? Und wieso kann das Ansehen eines Video-Streams ein Urheberrechtsverstoß sein?
Dass die Richter möglicherweise einen schweren Fehler gemacht hatten – oder sich täuschen ließen? – war dann ziemlich schnell klar. Und auch die jetzige Kehrtwende kam mit Ansage: In vier Beschlüssen vom 24. Januar gab eine Zivilkammer des Landgerichts Köln nun Beschwerden von Anschlussinhabern statt, die von der „The Archive AG“ wegen Ansehens eines Streaming-Videos auf www.redtube.com abgemahnt worden waren.
Der Kammer zufolge hätte dem Antrag der „The Archive AG“ auf Herausgabe der bestimmten IP-Adressen zuzuordnenden Namen und Anschriften von Kunden der Deutschen Telekom nicht entsprochen werden dürfen.
Die Richter begründeten ihre Kehrtwende damit, dass im Antrag der „The Archive AG“ von Downloads die Rede war, während es sich tatsächlich um den Abruf von Videos auf einer Streaming-Plattform handelte. „Ein bloßes Streaming einer Video-Datei bzw. deren Ansehen mittels eines Streams stellt im Gegensatz zum Download nach Auffassung der Kammer aber grundsätzlich noch keinen relevanten rechtswidrigen Verstoß im Sinne des Urheberrechts, insbesondere keine nur dem Urheber erlaubte Vervielfältigung gemäß § 16 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) dar“, heißt es in einer Erklärung des Gerichts heute. Da es um Streaming ging, sei zudem unklar geblieben, wie das eingesetzte Ermittlungsprogramm in der Lage war, die IP-Adresse desjenigen zu erfassen, der einen Stream von dem Server des Anbieters www.redtube.com abruft. „Auch nach einem Hinweis der Kammer im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hatte die Antragstellerin die Frage unbeantwortet gelassen, wie das Programm in diese zweiseitige Verbindung eindringen konnte.“
Die Kammer deutete auch an, dass ihre Entscheidung auch Bedeutung für ein Beweisverwertungsverbot in einem Hauptsacheprozess haben könnte – etwa bei der Frage, ob Urmann & Collegen tatsächlich Abmahnkosten einfordern durften.
Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig. Die Firma The Archive könne gegen die nunmehr getroffene Entscheidung Beschwerde einlegen.
Bis heute seien beim Landgericht Köln über 110 Beschwerden gegen die Auskunft gestattende Beschlüsse in dieser Angelegenheit eingegangen, teilte das Gericht weiter mit. In einigen Verfahren habe der damals die The Archive vertretende Rechtsanwalt das Mandat niedergelegt. Gründe dafür habe er nicht genannt.