Polizei schlägt Alarm: Facebook-Gerüchte verursachen unnötige Ermittlungen
Nach den Übergriffen in Köln verbreiten sich bei Facebook massenhaft Gerüchte über angebliche weitere Sexualstraftaten – angeblich begangen von Ausländern. Ungezählte Nutzer verbreiten die Meldungen ungeprüft weiter – die sich aber oft als falsch erweisen. Jetzt schlagen bayerische Ermittler Alarm.
In Köln hatten an Silvester Gruppen junger, ausländischer Männer Frauen sexuell belästigt und teilweise beraubt. Auch zu Vergewaltigungen soll es gekommen sein.
Als wäre das nicht schlimm genug, rollt seitdem durch die sozialen Netzwerke eine regelrechte Welle von Meldungen, nach denen es auch in anderen Städten und Gemeinden zu sexuellen Straftaten gekommen sein soll. Oft genug heißt es dabei, die Taten seien von Asylbewerbern verübt worden.
Manche der Meldungen stimmen, manche nicht. Und oft genug werden die Meldungen von Facebook-Nutzern einfach weiterverbreitet ohne zu überprüfen, ob diese stimmen oder schlicht erlogen sind.
Für die Ermittlungsbehörden ist das ein riesiges Problem. Wenn sie bei Facebook von einer Sexualstraftat lesen oder über eine solche Meldung informiert werden, müssen sie dem Fall nachgehen. Das ist oft sehr aufwendig und bindet Personal, das auch an anderer Stelle dringend benötigt wird. Umso schlimmer, wenn sich viele dieser Fälle dann als glatte Erfindung erweisen.
So auch in einem Fall, über den jetzt das Polizeipräsidium Oberbayern Süd berichtet. Nach dem Prinzip „Stille Post“ war im Landkreis Traunstein ein Gerücht über eine angebliche Vergewaltigung weitergegeben worden und schließlich auf Facebook gelandet. Ein junger Mann hatte dort die Nachricht verbreitet, in Traunstein sei in einer Unterführung ein Mädchen von einem Asylbewerber vergewaltigt und die Sache von der Polizei vertuscht worden. Der Mann hatte diese Information aus einer angeblich „sicheren Quelle“.
Die Facebook-Meldung über die vermeintliche Vergewaltigung wurde kommentiert. Journalisten fragten beim Polizeipräsidium nach. Nach internen Recherchen bei der Polizei stand fest: In Traunstein und Umgebung war es seit Jahresbeginn zu keinen Anzeigen wegen Sexualdelikten gekommen.
Allerdings wollten die Ermittler nicht ausschließen, dass die angebliche Vergewaltigung noch nicht bei der Polizei angezeigt worden war. Also befragten die Fahnder den jungen Mann nach seiner „sicheren Quelle“. Heraus kam, dass er die Information von einem anderen hatte, der es wiederum von einem anderen hatte und so weiter. „Acht Personen waren schlussendlich an der Weitergabe der Information beteiligt. Und bei jeder Weitergabe wurden nach dem Prinzip „Stille Post“ einige Informationen verändert oder weggelassen“, so das Präsidium.
„Stille Post“: Die Polizei warnt vor Gerüchten
Am Ende stellte sich heraus, dass es diese Vergewaltigung gar nicht gab. Vielmehr war eine Meldung über einen sexuellen Übergriff in Traunreut – und nicht in Traunstein – wieder und wieder bei Facebook verbreitet und dabei zunehmend verfälscht worden. Die Folge: Die Polizei investierte Zeit und Personal in völlig unsinnige Ermittlungen – und die Beamten fehlten an anderer Stelle.
Die Polizei warnt jetzt dringend davor, Gerüchte in sozialen Netzwerken ungeprüft und unhinterfragt weiterzuverbereiten. „Stille Post“ ist gefährlich!“, so das Präsidium. „Verunsicherung ist eine der Folgen, unnötige Ermittlungsarbeit für die Polizei eine weitere“.
Ob die Facebook-Nutzer jetzt wegen Vortäuschung einer Straftat selbst ins Visier der Justiz geraten, teilte die Polizei nicht mit.