Neue Dialer-Urteile: Verbraucher haben öfter gute Karten
Im Wochentakt fallen jetzt vor den deutschen Amtsgerichten die Urteile zu strittigen Dialer-Einwahlen. Die Rechtsprechung ist nahezu einheitlich: Netzbetreiber, die Geld für 0190-Einwahlen fordern müssen nachweisen, dass sie dafür auch eine Leistung erbracht haben. Können sie das nicht, wird ihre Klage abgewiesen.
Es hatte lange gebraucht, bis die deutschen Gerichte erkannten, dass 0190-Einwahlen eben nicht immer bewusst von den Betroffenen getätigt werden. Erst im vergangenen Jahr setzte sich bei vielen Richtern die Erkenntnis durch, dass sehr oft unseriöse Dialer Ursache hoher Telefonrechnungen sind. Die logische Konsequenz war eine Umkehr der Beweislast: Nicht mehr die Verbraucher mussten nachweisen, dass sie getäuscht oder betrogen wurden. Vielmehr wurden die Netzbetreiber in die Pflicht genommen. Wenn sie auf Bezahlung von 0190-Gebühren klagten, mussten sie dem Gericht nachweisen, dass der Betroffene dafür auch wirklich eine Leistung – sprich: einen Mehrwert – erhalten hatte.
In vielen Fällen gelingt und gelang das den Netzbetreibern und ihren Inkassounternehmen offensichtlich nicht. Das zeigen auch wieder die Urteile der vergangenen Wochen. So wies das Amtsgericht in Osterholz-Scharmbeck bei Bremen am 15. Januar die Klage gegen einen Internetsurfer auf Bezahlung von 299,81 Euro ab. Hier konnte die Klägerin, ein Inkassounternehmen, nicht einmal nachweisen, dass der Netzbetreiber seine Forderung überhaupt wirksam abgetreten hatte (Az. 4 C 921/03).
Noch deutlicher ging am 6. Januar das Amtsgericht Bremen auf die Dialer-Problematik ein. Hier forderte ein Netzbetreiber – vergeblich – von einem Internetsurfer die Bezahlung von zwei Einwahlen zu 0190-Nummern. „Angesichts eines in letzter Zeit festzustellenden erheblichen Missbrauchs von sogenannten Dialern, die ohne Zutun des Nutzers allein bei Anzeige einer bestimmten Internetseite auf den Computer des Nutzers heruntergeladen und völlig unbemerkt im Hintergrund ausgeführt werden können“, so das Gericht, könne nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass der Betroffene willentlich einen Vertrag geschlossen hat. Diesen Beweis hätte der Netzbetreiber antreten müssen, um sein Geld zu bekommen. Bemerkenswert auch: Das Amtsgericht sprach – was bisher sehr selten vorkam – das Problem eines möglichen Wuchers an: „Selbst wenn hier nach einem sogenannten Blocktarif abgerechnet werden sein sollte – was nicht konkret dargelegt wurde – ist ein sofort anfallendes Entgelt in Höhe von 25,85 € bzw. 30,16 € unter Berücksichtigung des § 138 BGB als überaus bedenklich anzusehen“, hieß es in der Urteilsbegründung (Az. 107 C 13053/03).
Gescheitert ist ein Netzbetreiber am 30. Dezember auch vor dem Amtsgericht Krefeld. Das Gericht wies die Klage auf Bezahlung von 352,71 Euro für sechs Einwahlen zu 01900-Nummern als unbegründet ab. Bei diesen Nummern kann der Preis für die Einwahl frei vom Anbieter festgelegt werden, „die gültigen Tarife können somit ständig wechseln“, stellte das Gericht fest, und weiter: „Für einen Vertragsschluss ist aber zu fordern, dass dem Kunden, der konkludent durch die Anwahl einer Verbindung einen Vertrag schließt, die Konditionen dieses Vertrages bekannt sind; sein Wille muss gerade auf Abschluss dieses Vertrages zu diesen Gebühren gerichtet sein.“ Der Netzbetreiber und sein Inkassounternehmen hätten also nachweisen müssen, dass dem Internetsurfer vor der Einwahl der gültige Tarif mitgeteilt wurde. Das sei nicht geschehen. Dass Netzbetreiber und Inkassounternehmen keine technische Prüfung der Verbindungen vorgenommen hatten, und als Beweis nur einen mit „Einzelverbindungsübersicht“ überschriebenen Ausdruck einer Bildschirmanzeige vorlegten, gaben den Ausschlag: Der betroffene Surfer durfte nicht zur Kasse gebeten werden (Az. 79 C 484/03).
“Betrügerische Computerprogramme“
Immer wieder die gleichen Argumente, die gleichen Kläger, die gleiche Problemematik: Da kann einem Gericht schon mal der Kragen platzen. So geschah es – wenn auch juristisch formuliert – am 22. Dezember in der Bernsteinstadt Ribnitz-Damgarten. Das dortige Gericht wies die Klage eines Netzbetreibers gegen einen Internetsurfer auf Bezahlung von 1240,77 Euro für 0190-Einwahlen als unbegründet ab. „Es ist gerichtsbekannt, dass eine nahezu unüberschaubare Anzahl von Nutzern des Internet-Zugangs Opfer eines sogenannten Web-Dialers geworden sind“, machte der Richter klar, dass er sich in der Thematik auskennt. „Hierbei handelt es sich um betrügerische Computerprogramme, die bei dem Besuch normaler Web-Seiten im Internet – ohne dass der Nutzer dies erkennen kann – eine heimliche, automatische Einwahl über eine teure 0190-Zielrufnummer im DFÜ-Netzwerk des Computers installieren.“ Dann schmetterte das Gericht die Klage mit allen bekannten Argumenten ab: Das klagende Inkassounternehmen habe nur eine pauschale und damit ungenügende Abtretungsvereinbarung des Netzbetreibers vorgelegt. „Die Klage ist somit alleine wegen der nicht nachgewiesenen Aktivlegitimation abzuweisen.“ Eine technische Prüfung der strittigen Verbindungen nach § 16 TKV sei, obwohl in solchen Fällen vorgeschrieben, „offensichtlich unterblieben“. „Die Klägerin trägt nicht einmal vor, wie die Verbindung ausgelöst worden sein soll und welchen Inhalt die „Leistung“ hatte“, so das Gericht. Für die Herstellung einer willentlichen 0190-Verbindung und Richtigkeit der Abrechnung spreche auch nicht etwa ein Anscheinsbeweis zugunsten des Netzbetreibers: „Dies ist seit längerem von einer Vielzahl von Gerichten zugunsten des Verbrauchers richtig erkannt und ausgeurteilt worden (vgl. veröffentlichte Entscheidungen in www.DialerundRecht.de)“, hieß es wörtlich in der Urteilsbegründung. Die Problematik und aktuelle Rechtsprechung sei der Klägerin im Übrigen auch hinlänglich bekannt, „führt sie doch mit den sie stets vertretenen prozessbevollmächtigten Rechtsanwälten den Versuch, Forderungen durchzusetzen.“ (Az. 1 C 768/03)