0190-Gewinnbriefe: Anwalt erklagt 50.000 Euro
Für viele sind sie nur lästig. Doch andere fallen regelmäßig auf sie herein: Gewinnbriefe, die den Empfängern großartige Preise versprechen, tatsächlich aber nur zu Anrufen über hochtarifierte 0190-Nummern verleiten sollen. Jetzt aber hat ein Augsburger Anwalt Nägel mit Köpfen gemacht. Er hat gegen die Versender geklagt, gewonnen – und konnte seinen beiden Mandaten nun tatsächlich jeweils 25.000 Euro aushändigen.
„Dringende Rechtssache“, so waren die Briefe überschrieben, die Anfang 2003 wohl zu Zehntausenden in deutsche Briefkästen flatterten. In den Briefen selbst beklagte sich ein angeblicher „Carl Hoffmann, Leiter der Rechtsabteilung“, dass die Empfänger ihren 25.000-Euro-Gewinn noch nicht abgerufen hätten. Dabei müssten sie doch nur anrufen, über eine 0190-Nummer, die in den Schreiben gleich mehrfach genannt war. Als Absender firmierte eine Firma namens „Linda’s Central-Versand B.V.“ (LCV) mit Postfachadresse im österreichischen Wolfurt. Gewinne gab es in den meisten Fällen offenbar nicht. So mehrten sich die Beschwerden von abgezockten Verbrauchern und die Warnungen in den Medien, etwa im ZDF oder in der Gazette. Tatsächlich verfolgen Firmen, die derartige Gewinnbenachrichtigungen verschicken, meist ganz andere Ziele. „Zweck ist entweder, ihren Warenumsatz anzukurbeln, oder reine Abzockerei über Mehrwertnummern wie 0190 oder 0900 zu betreiben“, sagt der Augsburger Rechtsanwalt Ekkehard Gesler. Der Jurist aus der Augsburger Kanzlei Prof. Herrmann & Kollegen muss es wissen. Denn er nahm die Firmen beim Wort. Im Auftrag von zwei Mandanten machte sich Gesler auf, die Hintermänner der Briefe zu finden – mit Erfolg.
Gesler fand heraus, dass LCV eine von einer Schweizer Aktiengesellschaft in den Niederlanden gegründete Gmbh mit einem in der Nähe von Wien sitzenden Geschäftsführer ist. Die Gewinnbriefe wiederum wurden von einem in Offenburg sitzenden Dienstleister der LCV versandt. Der Rechtsanwalt erhob also für seine beiden Mandanten Zahlungsklage sowohl gegen die GmbH als auch gegen den Geschäftsführer. In beiden Fällen hatten die jeweiligen Rechtsschutzversicherungen ein Einsehen und stellten sich hinter die Verfahren. Zu Recht, wie sich jetzt zeigt. Die beteiligten Firmen rund um die LCV versäumten nicht nur, den zuständigen Landgerichten in Augsburg und Göttingen ihre Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen; sie versäumten auch, gegen die daraufhin erlassenen Versäumnisurteile rechtzeitig Einspruch einzulegen. So wurden die Urteile rechtskräftig. Gesler berief sich in beiden Fällen auf den Mitte 2000 neu ins Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommenen Paragraphen 661a. Nach dem müssen Unternehmer, die Verbrauchern Preise versprechen, diese auch tatsächlich aushändigen.
Die zweite große Überraschung folgte vor wenigen Tagen. „Unter dem Druck der gegen den Geschäftsführer von LCV persönlich eingeleiteten Zwangsvollstreckung wurden tatsächlich zweimal 25.000 Euro nebst Zinsen und Kosten bezahlt“, so Gesler, der von einer „kleinen Sensation“ spricht. Bisher sei kein Fall bekannt, in dem die LCV tatsächlich einen der versprochenen Gewinne auszahlte. „Das gibt Hoffnung für viele weitere Betroffene, deren Prozesse noch anhängig sind, und straft auch jene Rechtsschutzversicherungen Lügen, deren Kunden mit der Behauptung abgewimmelt werden und wurden, solche Klagen seien sinnlos.“ Gesler überwies die jeweils 25.000 Euro seinen beiden Mandanten. Die können sich jetzt – wenn auch mit etwas Verspätung – tatsächlich Gewinner nennen. Als Verlierer geht die LCV aus dem Spiel heraus. Ihr und ähnlichen Unternehmen stehen jetzt wohl viele weitere Klagen ins Haus.