Urteil: Viele 0190-Dienste müssen künftig selbst kassieren
Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil (Az. III ZR 3/05) gefällt, das Verbraucher im Streit um 0190 und 0900-Verbindungen stärkt – und in der Mehrwertdienstebranche für Aufruhr sorgen dürfte. Die Karlsruher Richter stellten fest, dass so genannte Verbindungsnetzbetreiber in der Regel bei Telefonkunden kein Geld für 0190 oder 0900-Verbindungen kassieren dürfen. Betroffen davon sind Unternehmen wie etwa Talkline, dtms, In-telligence oder MCN. Gerade im Streit um Dialer-Verbindungen kassierten sie in der Vergangenheit, oft mit Hilfe von Inkassofirmen, Telefonkunden ab – zu Unrecht, wie der BGH feststellte.
Anlass der BGH-Entscheidung ist der Fall eines Verbrauchers, bei dem zwischen April und Oktober 2002 rund 1100 Euro an Gebühren für 0190-Verbindungen aufgelaufen waren. Er weigerte sich diese zu bezahlen – und landete vor Gericht. Verklagt wurde er allerdings nicht von seiner eigenen Telefonfirma oder einem Dialerbetreiber, sondern von einer Inkassofirma, der die Talkline GmbH und Co KG die Rechte an der angeblichen Forderung abgetreten hatte. Talkline fungierte bei den teuren Anwahlen als so genannte Verbindungsnetzbetreiberin. Das heisst: Die 0190-Anwahlen des Verbrauchers landeten nicht direkt bei den jeweiligen Anbietern der teuren Inhalte, sondern wurden über den Umweg Talkline geschaltet. Die Zwischenschaltung solcher Verbidungsnetzbetreiber war und ist gängige Praxis im System der oft weiter- und untervermieteten 0190-Nummern. Vor allem in den Jahren 2002 bis 2004 bekamen das viele Verbraucher zu spüren. Wenn sie sich weigerten, hohe Dialer-Rechnungen zu bezahlen wurden sie plötzlich mit Mahnungen und Klagen von Unternehmen konfrontiert, deren Namen sie vorher nicht einmal kannten.
Verbraucher siegte in allen Instanzen
Das Inkassounternehmen argumentierte in dem Rechtsstreit damit, dass Talkline einen Anspruch auf die Bezahlung habe. Denn bei der Anwahl der teuren Verbindungen habe der Mann zugleich einen Vertrag mit Talkline geschlossen. Der Verbraucher widersprach – und bekam nicht nur in den ersten Instanzen vor dem Amtsgericht Brandenburg und dem Landgericht Potsdam Recht, sondern nun auch vor dem Bundesgerichtshof. Wer einen teuren 0190 oder 0900-Dienst wählt könne nicht damit rechnen, dass noch ein Unternehmen zwischengeschaltet ist, so die Meinung des III. Zivilsenats. Das gelte vor allem in solchen Fällen, in denen die Mitwirkung solcher „Verbindungsnetz- und Plattformbetreiber“ nicht nach außen deutlich wird. Wer zum Beispiel über Call-by-Call ins Internet geht, suche sich ganz bewusst eine bestimmte Telefonfirma“ aus, meinten die Richter. Bei den 0190 oder 0900-Einwahlen wisse der Nutzer dagegen gar nicht, dass mehrere Firmen ihre Finger mit im Spiel haben. Juristisch ausgedrückt: Der Nutzer gebe sein Angebot auf Verbindungsherstellung nur gegenüber der Telefongesellschaft ab, die auch seinen Anschluss stellt (meisten die Telekom) – aber eben nicht gegenüber einem möglicherweise beteiligten Verbindungsnetzbetreiber. Mit dieser Begründung wies der Bundesgerichtshof die Revision des Inkassounternehmens ab. Der Verbraucher müsse das Geld nicht bezahlen, weil er mit Talkline keinen Vertrag geschlossen habe.
Das Ende des Versteckspiels
In der Praxis dürfte die höchstrichterliche Entscheidung durchaus Folgen haben. Gerade unseriöse Anbieter der Mehrwertdienstebranche konnten sich bisher nämlich gut hinter den Verbindungsnetzbetreibern verstecken: Sie zockten die Verbraucher durch dubiose Tricks ab, das Kassieren der strittigen 0190-Gebühren überließen sie dann Firmen wie Talkline oder IN-telligence und deren Inkassofirmen. Das wird in Zukunft nicht mehr so einfach sein. Stattdessen werden die Mehrwertdienste-Anbieter selbst gezwungen sein, sich mit zahlungsunwilligen Kunden herumzuschlagen. Ob sie das tun können und werden, bleibt abzuwarten.