Handypayment, Lockanrufe und der „tote“ Dialer – Der Jahresrückblick 2005
Auch im Jahr 2005 sorgten Mehrwertdienste im Internet und in der mobilen Telekommunikation wieder für Gesprächsstoff. Und auch diesmal blickt Dialerschutz.de wieder auf die positiven und negativen Höhepunkte zurück.
Januar
Die Betrugsversuche mit angeblich aufgezeichneten „Voice dates“ gehen auch im neuen Jahr weiter. Täglich melden sich Betroffene, die per SMS-Botschaft aufgefordert wurden, eine teure 0190-Nummer anzurufen, weil jemand eine Nachricht für sie hinterlegt habe. Nepp droht auch an anderer Stelle: Ein Anbieter wirbt im Telefonbuch mit Auskünften zum Flughafen Saarbrücken unter einer 0190-Nummer – und bietet für teures Geld nur eine Warteschleife und Musik. Die Schweiz macht derweil Nägel mit Köpfen. Der Bundesrat beschließt, dass Telefon-Unternehmen ab Februar verdächtige Nummern von sich aus sperren dürfen, wenn der Verdacht einer unseriösen Nutzung vorliegt. Doch auch die deutsche Regulierungsbehörde greift durch. Sie sperrt rund 30.000 Dialern die Einwahlnummer. Die Firma ATS, die mit dubiosen Telefondiensten Geld verdient, gerät ins Visier der Fahnder. Polizei und Staatsanwaltschaft durchsuchen in Hamburg, Mannheim und Friedberg insgesamt sieben Wohnungen und Büros. Ärger mit der Justiz bekommt auch eine Münchner Dialer-Firma. Dialerschutz.de erwirkt vor dem Landgericht München I eine einstweilige Verfügung gegen das Unternehmen und dessen Geschäftsführer. Damit geht Dialerschutz.de gegen den Versuch eines Trittbrettfahrers vor, mit dem guten Ruf von Dialerschutz.de Geld zu verdienen und Verbraucher in die Irre zu führen. Das Unternehmen akzeptiert die einstweilige Verfügung und verzichtet auf Rechtsmittel.
Februar
Die Regulierungsbehörde stellt ihre zweite Sünder-Kartei online. Darin ist aufgeführt, welche Maßnahmen die Behörde gegen unlautere Werbung für Mehrwertdienste-Nummern (Spam) eingeleitet hat. Der Deutsche Philologenverband (DPhV) fordert ein schärferes Vorgehen gegen Dialer-Seiten, die vor allem Schüler ansprechen. Das Landgericht Berlin erklärt die Praxis, erst im dritten OK-Fenster eines Dialers unten links den Preis zu nennen, für wettbewerbswidrig. Und die Experten von Computerbetrug.de und Dialerschutz.de weisen nach, dass Besitzer von Anrufbeantwortern in einer kuriosen Kostenfalle landen können: Die Ansage des Anrufbeantworters wird nämlich unter Umständen als Bestätigung für die Annahme eines teuren R-Gesprächs gewertet. Doch auch ein neues Abrechnungsverfahren, das allein über die IP-Adresse läuft, sorgt für Unruhe unter Internetsurfern. Das so genannte IP-Billing, also die Abrechnung allein über die IP-Adresse, wird von Fachleuten als anfällig für Missbrauch eingestuft. Die Firma, die das Verfahren in Österreich einsetzt, bestreitet dies.
März
Experten von Dialerschutz.de und Computerbetrug.de decken einen neuen Fall auf, bei dem arglose Internetsurfer um ihr Geld gebracht werden. Unter den teuren Rufnummer 0900990000-929, -930, -931 und -932 werden nicht nur registrierte Dialer eingesetzt, sondern auch illegale Programme, die sich automatisch und ohne Wissen des Betroffenen einwählen. Zehn Tage später greift die Regulierungsbehörde durch und entzieht den betroffenen Dialern die Registrierung – womit für Verbraucher auch keine Zahlungspflicht mehr besteht. Die bekannte Internetseite hit1.de landet plötzlich in der Hand eines Dialer-Anbieters. Doch die Domain-Kaperung endet glimpflich. Nach zwei Wochen und einer Abmahnung hat der Inhaber seine Seite wieder. Gute Nachrichten auch aus Köln: Das dortige Verwaltungsgericht bestätigt, dass 0190-Lockanrufe aufs Handy sittenwidrige Werbung sind und als Verstoß gegen das Wettbewerbsgesetz von der Regulierungsbehörde untersagt werden dürfen. Die Regulierer machen auch in anderer Sache von sich reden: Am 18. März treten die neuen Regeln für Dialer in Kraft. Eine Übergangsfrist läuft aber noch bis Mitte Juni.
April
Wieder rollt eine Welle von 0137-Lockanrufen durchs Land. Für die Versender falscher Gewinnmitteilungen wird die Luft derweil dünner. Nicht nur, dass die Opfer die versprochenen Gewinne zivilrechtlich einklagen können – wer Verbraucher mit falschen Gewinnmitteilungen täuscht, kann auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Das geht aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe hervor. Die österreichische Rundfunk & Telecom Regulierungs-GmbH (RTR) meldet, dass die Beschwerden über Dialer und unseriöse Mehrwertdienste massiv gestiegen seien. Die neuen Vorgaben für 09009-Dialer, die ab Mitte Juni verbindlich werden, werfen ihre Schatten voraus: Drei große deutsche Dialer- und Programmbetreiber ziehen sich mit verschiedensten Begründungen aus dem Geschäft mit den Einwählprogrammen zurück. Und im bis dahin größten Fall von Dialer-Betrug in Deutschland wird ein Tatverdächtiger nach Deutschland ausgeliefert. Der 30-Jährige soll zusammen mit fünf Komplizen Internetnutzer um über 20 Millionen Euro gebracht haben.
Mai
Neuer schwerer Schlag für die Dialer-Branche: Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Reg TP) erklärt über 41.000 Einwählprogramme für illegal. Die beanstandeten Dialer hätten nicht den Vorgaben entsprochen, lautet die Begründung. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gibt eine Warnung vor einem neuen Satelliten-Dialer heraus. Konkret angewählt würden dabei Rufnummern mit der Vorwahl 008813. Weil sie Opfer mit 0190-Nummern um über 350.000 Euro betrogen haben sollen, müssen sich zwei Männer und eine Frau vor dem Landgericht Oldenburg verantworten. Und die freie Enzyklopädie Wikipedia ruft Trittbrettfahrer auf den Plan, die von der fremden Leistung profitieren wollen. Auf einer Pseudo-Suchmaschine im Internet werden Wikipedia-Texte zum Download zur Verfügung gestellt – über eine teure 0137-Nummer.
Juni
Die groß angelegte Betrugs-Welle mit Rechnungen der Firma Hanseatische Abrechnungssysteme (HAS) hat erste Konsequenzen. Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg verhängt gegen ein Mitglied der so genannten Skandinavien-Connection einen Strafbefehl über ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung. Zur Belohnung für die glimpfliche Strafe packt der 40-Jährige über seine Hintermänner aus. Die neuen Regeln für Dialer in Deutschland werden für alle Anbieter verbindlich. Die erste Reaktion der Branche: Statt Verbraucher fortan deutlich über die Einwahlpreise zu informieren, steigt man lieber auf ein neues Zahlungsmittel um – das Handy Payment.
Juli
Betrüger suchen Apotheken in Hessen heim, um über teure 0900-Nummern abzukassieren. Die Täter täuschen einen Notfall vor und bitten darum, Hilfe holen zu dürfen. Die Nummer, die sie anrufen, ist in Wirklichkeit eine hoch tarifierte Mehrwertdienste-Nummer. Weit kommen die Abzocker nicht: Im August werden sie festgenommen. Das Verwaltungsgericht Köln stellt fest, dass die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Reg TP) auch gegen die Versendung unerwünschter Werbe-Faxe vorgehen darf, wenn in diesen für 0900-Dienste geworben wird. Experten aus dem Forum von Dialerschutz.de und Computerbetrug.de kommen derweil einer neuen Masche auf die Spur. Sie stoßen auf eine Seite mit Partnerprogrammen die darauf abzielen, die deutschen Jugendschutzgesetze ganz bewusst zu umgehen. Die dort ebenfalls angebotenen Auslands-Dialer verschwinden wenige Tage nach unserer Berichterstattung wieder.
August
Über Deutschland schwappt eine neue Welle von Gewinnanrufen. Mit der Behauptung, man habe einen tollen Preis gewonnen, sollen die Opfer dazu gebracht werden, eine 0190-Nummer anzurufen. Teuer wird es auch auf vielen Internetseiten: Nach der Einführung strengerer Regeln erklärt die Branche den Dialer für tot – und führt stattdessen das Handy-Payment ein. Wer sich auf den Seiten über sein Handy einbucht, schließt oft gleich ein Abonnement ab, das bis zu 300 Euro im Monat kosten kann. Der Verein Freiwillige Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste (FST) schaltet sich ein. Die Lobbyisten wollen – und werden wenig später – Regeln für den Einsatz des neuen Zahlungsmittels einführen. Die Bundesnetzagentur legt einem dubiosen Auskunftsdienst das Handwerk. Der vermeintlichen „Bahnhofsauskunft“ wird verboten, die teure Rufnummer 11875 zu nutzen. Der Bundesgerichtshof fällt ein Urteil (Az. III ZR 3/05), das Verbraucher im Streit um 0190 und 0900-Verbindungen stärkt – und in der Mehrwertdienstebranche für Aufruhr sorgt. Die Karlsruher Richter stellen nämlich fest, dass so genannte Verbindungsnetzbetreiber in der Regel bei Telefonkunden kein Geld für 0190 oder 0900-Verbindungen kassieren dürfen. Und während ein Münchner Unternehmen Walt Disneys Lustige Taschenbücher über teure Dialer-Einwahlen vertreibt, sind das Forum von Computerbetrug.de und Dialerschutz.de sowie die Seite Antispam.de für kurze Zeit nicht erreichbar – sie sind Ziel einer massiven DDoS-Attacke.
September
Kaum in Deutschland eingeführt, gerät das Zahlungsmittel Handy Payment unter Druck. Angesichts zunehmender Beschwerden über den Missbrauch dieses Systems fordert Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast die Mobilfunkbetreiber auf, aus diesem System auszusteigen. „Die Mobilfunkunternehmen dürfen sich an dieser Stelle nicht zu Inkassounternehmen machen“, erklärt sie gegenüber dem ARD-Magazin Plusminus. Zwei Wochen später ziehen die deutschen Mobilfunkunternehmen dann tatsächlich die Notbremse: Sie steigen aus dem Geschäft mit den teuren Abonnements aus. Die Bundesnetzagentur erklärt abermals eine ganze Reihe von 0900-Dialern für illegal. Gleichzeitig mit dem Entzug der Registrierungen wird die Abschaltung der betroffenen Rufnummern angeordnet und ein Rechnungslegungs- und Inkassoverbot ausgesprochen.
Oktober
Mit einem ungewöhnlichen Tricks versuchen Betrüger, Opfer über eine 0190-Nummern abzuzocken. Sie geben sich in Briefen als „Fundbüro“ aus und teilen arglosen Menschen mit, dass ihre Geldbörsen gefunden worden seien. Für weitere Informationen sollen sich die Angeschriebenen telefonisch melden – „natürlich“ über die teure 0190-Nummer. Eine andere teure Masche geht zuende: Der Egmont Ehapa Verlag lässt es einer Münchner Firma gerichtlich untersagen, Walt Disneys Lustige Taschenbücher über Dialer zu vertreiben. In Österreich sorgen dubiose Rechnungen für Wirbel. Die Arbeiterkammer Niederösterreich (AKNÖ) warnt vor der Firma PMA (Portalmanagement und Abrechnungs GmbH) aus Wien, die angeblichen Usern ein Abonnement für eine Sex-Website im Internet berechnet. Die Rechnungen in der Höhe von 49 Euro bzw. Mahnungen über 54 oder 59 Euro seien ungerechtfertigt, betonen die Experten. Die Polizei in Düsseldorf ist derweil erfolgreich. Sie fasst eine Bande mutmaßlicher Betrüger gefasst, die Telefonbesitzer mit 0190-Nummern um mehrere Millionen Euro gebracht haben soll. Und auch Hamburger Fahndern gelingt ein Coup. Der Drahtzieher der Firma Hanseatische Abrechnungssysteme (HAS) wird auf Mallorca festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert. Nach dem Wirbel um teure Handy Payment-Abonnements im Internet entschuldigt sich die Wapme System AG bei den Betroffenen und kündigt einen Neustart an. „Von Seiten einiger Anbieter wurde das System zur Vermarktung fragwürdiger Inhalte und unseriöser Preisgestaltung ausgenutzt“, räumt Wapme-Sprecherin Gabi Enge im Interview mit Dialerschutz.de ein.
November
Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe stärkt in einem weiteren Urteil die Position von Verbrauchern bei strittigen Dialer- und Mehrwertdienste-Rechnungen. Der III. Zivilsenat stellt fest, dass Betroffene, die derartige Rechnungen unter Vorbehalt gezahlt haben, ihr Geld von Verbindungsnetzbetreibern zurückfordern können. Die Entscheidung hat weit reichende Folgen für geschädigte Verbraucher, aber auch für Netzbetreiber und deren Inkassofirmen. Eher in die Rubrik „Kurioses“ fällt dagegen ein Rechtsstreit zwischen einem Dialer-Unternehmen und einem Onlinemedium: Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt (Az. 16 W 17/05) dürfen Dialeranbieter, die unlauteres Geschäftsgebahren an den Tag legen, als „Parasiten“ bezeichnet werden. Das OLG bestätigt damit die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt, das einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen das Internetmagazin Onlinekosten.de abgelehnt hatte.
Dezember
Das Aus für die berühmt-berüchtigten 0190-Nummern wird gerichtlich bestätigt. Das Verwaltungsgericht Köln weist einen Eilantrag eines Flensburger Erotikunternehmens ab. Es sei schließlich seit Jahren klar, dass die Nummern zum Jahresende abgeschaltet werden. Mit Freiheitsstrafen auf Bewährung und 2,1 Millionen Euro Geldbuße geht der Prozess gegen die Drahtzieher des groß angelegten Betrugs mit so genannten Hanseaten-Dialern zuende. Das Amtsgericht Hamburg St. Georg spricht die Geschäftsführer der Firma Hanseatische Abrechnungssysteme (HAS) des gewerbsmäßigen Betrugs und der Datenveränderung für schuldig. Die beiden angeklagten Dänen hatten vor dem Prozess schriftliche Geständnisse abgelegt. Im Gegenzug sicherte ihnen die Staatsanwaltschaft Bewährungsstrafen zu. Kriminelle missbrauchen 0137-Nummern wieder massiv für Lockanrufe auf Handys. Und die Internetportale Dialerschutz.de, Computerbetrug.de, Antispam.de und Gulli.com erhalten ein unerwünschtes Weihnachtsgeschenk: Unbekannte starten einen groß angelegten DDoS-Angriff auf die Seiten. Es dauert mehrere Tage, bis die Attacken technisch im Griff sind. Die Betreiber werten der Portale werten den Angriff als Zeichen ihrer erfolgreichen Arbeit gegen Betrug und unseriöse Geschäftsleute – und nehmen es mit Humor: Sie taufen die „stürmische Attacke“ auf den Namen „Arnold“.