Ruf nicht an: Die 0190 wird heute endgültig begraben
Sie stand für Schmuddeldienste und nächtliche Werbespots („Ruf mich an!“), für Abzocke und illegale Dialer – aber auch für den Siegeszug der telefonischen Mehrwertdienste in Deutschland: die Nummer 0190. Sechs Monate nach dem offiziellen Aus wird die Rufnummerngasse 0190 in der Nacht zum 1. Juli endgültig begraben. Gesundes Misstrauen sollten Verbraucher aber weiter zeigen. Denn die schwarzen Schafe der Branche sind längst auf neue Maschen umgestiegen.
Eigentlich gibt es die 0190 ja schon seit Anfang des Jahres nicht mehr. Nur einem letzten Aufbäumen der Branche ist es zu verdanken, dass sie – zumindest theoretisch – noch bis heute überleben durfte. Nach massiven Protesten gestattete die Bundesnetzagentur den Firmen, dass sie noch sechs Monate lang über ihre 0190-Nummer kostenlos mitteilen dürfen, unter welchen neuen Nummer ihre Angebote jetzt erreichbar sind. Diese Übergangsfrist läuft heute ab. Vom 1. Juli an ist endgültig Schluss mit 0190. Telefonische Mehrwertdienste, auch Premium-Dienste genannt, werden nun vor allem über die Rufnummerngasse 0900 abgewickelt. Ein festes Kostenschema wie bei der 0190 gibt es dabei nicht mehr. Bis zu zwei Euro pro Minute oder 30 Euro pauschal pro Anruf können die Diensteanbieter verlangen – am Telefon freilich erst nach einer kostenlosen Tarifansage. Gleiches gilt bei den Dialern, die – auch wenn die Beschwerden stark zurückgegangen sind – noch zu Zehntausenden im Einsatz sind. Nach entsprechenden Warnhinweisen kann auch hier die Einwahl zwei Euro pro Minute oder 30 Euro pauschal kosten.
„Der Einsatz von 0900 ermöglicht mehr Komfort, differenzierbare Tarifstrukturen zu unterschiedlichen Leistungsabschnitten – und wird darüber hinaus hohen Ansprächen an Konsumentensicherheit gerecht“, verkündete gestern pünktlich Claudia Kalenberg, die Geschäftsführerin des Lobbyverbandes FST – und verschwieg damit elegant, dass die Branche das Image der 0190 letztlich selbst zerstört hat. Ob Lockanrufe, betrügerische Auskunftsdienste oder 0190-Dialer, die pro Einwahl 300 Euro kassierten: In den vergangenen sechs Jahren gab es kaum etwas, dass dubiose Anbieter nicht versucht hätten, um Kunden über diese Nummer um ihr Geld zu bringen. Dass im Januar 2002 die Rufnummerngasse 0190-0 freigeschaltet wurde, brachte das Fass erst recht zum Überlaufen. Denn über diese konnten die Anbieter ihre Tarife völlig frei bestimmen – der Abzocke waren folglich keine Grenzen mehr gesetzt. Immerhin lernten Politik und Regulierer aus den unschönen Erfahrungen. Bei der „neuen“ Nummerngasse 0900 gibt es einen klaren Höchsttarif. Außerdem können sich die schwarzen Schafe der Branche nur noch schwer in der Anonymität verstecken. Wer eine 0900-Nummer betreiben will, muss seine Anschrift bei der Bundesnetzagentur hinterlegen. Das hat den Missbrauch zumindest deutlich einschränkt.
Während seriöse Dienstleister jetzt also auf das „saubere“ Image der 0900-Nummern hoffen, arbeiten die Abzocker der Branche längst mit neuen Geschäftsmodellen. Vor allem die 0137-Nummern werden dabei regelmäßig missbraucht. Bislang unreguliert, erlauben sie dubiosen Anbietern weite, sich hinter einem System von Weitervermietungen, Briefkastenfirmen und ausländischen Firmensitzen zu verstecken. Die Netzbetreiber waschen ihre Hände in Unschuld und verdienen – etwa bei Lockanrufen – fleißig mit. 0190 lässt also weiter grüßen. Die Bundesnetzagentur bemüht sich redlich, dem Treiben ein Ende zu bereiten – und hinkt den Tätern in aller Regel hinterher.
Auch das Prinzip der versteckten Preise, bei 0190-Dialern regelmäßig praktiziert, hat längst in anderen Bereichen Einzug gehalten: Wer schnelles Geld verdienen will und keine Skrupel hat, verspricht Verbrauchern im Internet tolle Preise, kostenlose Warenproben oder spannende Tests – und lockt sie damit in teure Abonnements. Tröstlich dabei: Das Inkasso müssen die Abo-Abzocker – im Gegensatz zum System der 0190-Nummern – selbst übernehmen.