Schulbuch lotst Kinder in Abo-Falle – Verlag und Ministerium reagieren

Internetseiten mit so genannten Abo-Fallen sorgen seit Monaten für Empörung. Dass auch immer wieder Kinder in Österreich in die Falle tappen, kommt womöglich nicht von ungefähr: Ausgerechnet in einem Schulbuch für die siebte Jahrgangsstufe werden Schüler zu einer solchen dubiose Seite gelotst. Entsprechende Recherchen von Dialerschutz.de sorgen jetzt für Wirbel: Verlag und Autoren des Buches bemühen sich um Schadensbegrenzung, das österreichische Bildungsministerium prüft Konsequenzen für den Lehrplan.

Ein österreichischer Schüler deckte den Missstand – unfreiwillig – auf. Der 13-Jährige nahm kürzlich im Unterricht das Thema Erörterung durch. Und die sollte am Thema Rauchen geübt werden. Der Siebtklässler griff also zu seinem Schulbuch „Deutschstunde 3“ aus dem Linzer Veritas Verlag. Darin fand er einen Beispieltext: „Im Internet kann man davon unter www.rauchen.de viel nachlesen“, heißt es darin wörtlich auf Seite 130. Das Kind besuchte die genannte Seite – und erlebte eine teure Überraschung. Rauchen.de leitete nämlich weiter zur Seite www.rauchen-heute.de. So nahm das Unglück seinen Lauf: „Weil wir den Auftrag hatten eine Erörterung über Nichtraucher zu schreiben registrierte ich mich dort und schrieb meine Erörterung“, berichtete der 13-Jährige im Forum von Dialerschutz.de und Computerbetrug.de. „Das war vor 2 Wochen. Jetzt kam eine Mail das ich 84€ zahlen muss. Jetzt sah ich auch dass die Laufzeit 24 Monate ist. Also muss ich dann nächstes Jahr wieder 84€ zahlen.“

84 Euro-Rechnung nach der Registrierung

Das Entsetzen des Kindes ist berechtigt. Nicht nur der Link in seinem Schulbuch führt direkt zu einer Internetseite, die seit langem als Kostenfalle bekannt ist: der Veritas-Verlag verlinkte die Seite rauchen.de auch in seinem eigenen Internetangebot: „Viel Information, enthält Bilder von rauchbedingten Krankheiten, für Schüler leicht lesbar“, hieß es dort wörtlich. Fakt ist allerdings: Schon vor zwei Jahren wurde die vormals kostenlose Info-Seite vom ursprünglichen Eigentümer verkauft. Und die neuen Betreiber aus dem hessischen Büttelborn setzten darauf einen teuren Dialer. Seit Anfang des Jahres lauert darauf nun eine so genannte Abo-Falle: Wer sich mit seinen Daten registriert, bekommt nach Ablauf der Widerrufsfrist eine Rechnung über 84 Euro ins Haus geschickt. Dass potenzielle Kunden auf der Startseite über die Kosten und den Abo-Vertrag hingewiesen werden, ist neu: Wie berichtet hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband die Büttelborner Firma kürzlich abgemahnt – eben weil sie potenzielle Kunden in die Abo-Fallen laufen ließen. Daraufhin wurden die Seiten geändert.

Dialerschutz.de konfrontierte die Verantwortlichen mit dem Fall. Und die reagierten völlig überrascht. Das österreichische Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur forderte umgehend eine Stellungnahme des Schulbuchverlages. Die kam prompt: „Es ist sehr bedauerlich, dass der Schüler in eine Kostenfalle getappt ist, und es ist ganz besonders bedauerlich, dass er dazu offenbar durch sein Schulbuch angeregt wurde“, erklärte Gertrude Öllinger vom Veritas-Verlag. Als das Buch erstellt und überprüft wurde, sei rauchen.de noch ein empfehlenswertes Angebot gewesen: „Bei den Nachdrucken wurde eine neuerliche Kontrolle der genauen Website-Inhalte leider verabsäumt, was bei ca. 300 Nachdrucken pro Jahr allein im Bereich Schulbuch vielleicht verständlich ist.“ Mit dem Abdruck von Links in Schulbüchern setzte man sich zweifellos dem Risiko aus, „dass die verantwortlichen Websitebetreiber diese in unverantwortlicher Weise ändern“, räumte Öllinger ein. Auf Links gänzlich zu verzichten würde aber bedeuten, „unzeitgemäß und an den Schülerinnen und Schülern vorbei zu agieren“. Der Verlag werde jedenfalls Konsequenzen ziehen. Die kommende fünfte Auflage des Schulbuchs sei zwar schon gedruckt; „in der nächsten Auflage wird dieser Link aber selbstverständlich aus dem Buch entfernt. Bis dahin werden wir die Verwender und Verwenderinnen per Corrigenda-Zettel auf die Gefahr aufmerksam machen.“

Beratung im Ministerium

Auch Professor Wolfgang Pramper, Sprecher des Autoren, die das Schulbuch „Deutschstunde 3“ geschrieben hatten, reagierte erschrocken: „Sie können sich meine Betroffenheit vorstellen, wenn aus einer gut gemeinten Idee eine abzulehnende Abzockerei entsteht“, erklärte er gegenüber Dialerschutz.de. Der Link werde umgehend entfernt, außerdem würden die Lehrer, die das Buch in ihren Klassen verwenden, informiert. Das österreichische Bildungsministerium denkt derweil schon an weitere Konsequenzen: „Im zuständigen Ressort wurde eine Beratung geführt, inwieweit im Bereich der Online-Schulbücher Überprüfungen eventuell anders stattfinden sollen, sowohl was die Lehrplanentsprechung als auch die Inhalte selbst betrifft“, teilte Dr. Sepp Redl gegenüber Dialerschutz.de mit. Er verwies zugleich auf die Rechtslage, nach der Minderjährige auch in Österreich nur beschränkt geschäftsfähig sind: „Ungültig im Sinn dieser Regelung sind auch Geschäfte, die ein Minderjähriger nicht durchschauen kann. Im Fall von Geschäften im Internet spielt zusätzlich das Konsumentenschutzgesetz hinein, dass besondere Rücktrittsrechte enthält. Bei einem 13-Jährigen, der im Internet ein Geschäft abschließt, kommen diese Rücktrittsrechte jedoch gar nicht in Frage, da der Abschluss schon nach dem ABGB nicht gültig ist.“ Der Fall habe jedenfalls „eine Reihe von Maßnahmen ausgelöst“, betont Redl. Nun werde es weitere Beratungen geben, „mit dem Ziel größtmöglicher Sicherheit für Schülerinnen und Schüler“.