Osnabrück: Größter deutscher Dialer-Prozess geht in den Endspurt
Vor der 10. Großen Strafkammer des Osnabrücker Landgerichts geht der bislang größte deutsche Prozess um Betrug mit Dialern in die letzte Runde. Nach 18 Verhandlungstagen könnte am kommenden Mittwoch möglicherweise ein Urteil gegen die beiden Angeklagten fallen. Die beiden Männer sollen mit automatisch einwählenden 0190-Dialern Internetnutzer in ganz Deutschland um rund zwölf Millionen Euro betrogen haben. Zwei weitere Täter waren bereits zu Beginn des Prozesses verurteilt worden.
Die beiden Angeklagten Edward B. und Jörg H. hatten nach Ansicht der Staatsanwaltschaft einen großen Anteil daran, dass Namen wie „Central 24“ und „Liquid Inc.“ zum Synonym für Dialer-Betrug in Deutschland wurden. Zig-tausende Internetnutzer erhielten in den Jahren 2002 und 2003 Telefonrechnungen mit Gebühren für 0190-Verbindungen, die sie nie bewusst angewählt hatten. Dahinter steckten damals Dialer mit Namen wie „Teen XXX“ und „Qdial11“, die sich beim Besuch entsprechend präparierter Internetseiten automatisch auf dem Computer installierten, über teure 0190 Nummern einwählten – und anschließend selbstständig vom PC löschten. Ihre Spuren verwischten die Täter, indem sie ein Geflecht aus echten und Briefkasten-Firmen, darunter eben „Liquid Inc.“ und „Central 24“, in mehreren Ländern wie Lettland, die USA und die Seychellen aufbauten. Auch ihre Beute, den Ermittlungen zufolge rund zwölf Millionen Euro, verschoben die Täter offensichtlich über ein internationales Netz von Konten. Bis heute konnte so nur ein Bruchteil der – von der Telekom bei den Opfern eingetriebenen – Gelder sichergestellt werden.
Bewährung für zwei der Angeklagten
Zwei der zunächst vier Beschuldigten hatten zum Prozessauftakt umfangreiche Geständnisse abgelegt und erhielten dafür relativ milde Strafen von 22 und 18 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Ihre beiden Mitangeklagten gaben im Laufe des Prozesses zwar auch Erklärungen ab, allerdings waren diese von echten Schuldeingeständnissen weit entfernt. So vergingen bislang 17 Verhandlungstage mit Anhörungen von Sachverständigen und Zeugen, aber auch mit neuen Beweisanträgen sowohl seitens der Staatsanwaltschaft als auch der Verteidigung. Gestritten wurde zum Beispiel über die Frage, ob die betroffenen Internetnutzer auf die Kosten für die Dialer-Einwahlen hingewiesen wurden oder nicht. Auch über die tatsächliche Höhe der Beute sind sich Anklage und Verteidigung nicht einig. Die Beschuldigten betonten bereits zum Prozessauftakt, dass der von der Staatsanwaltschaft berechnete Schaden mit zwölf Millionen viel zu hoch angesetzt sei, da hier auch legal verdiente Gelder einbezogen worden seien.
Auf eine Urteilsabsprache, also einen so genannten Deal, konnten sich die Prozessbeteiligten bislang nicht verständigen. So wird die Anklage kommende Woche aller Voraussicht nach Freiheitsstrafen für die beiden Angeklagten fordern, die Verteidigung wird dem wohl widersprechen. Der Vorsitzende der 10. Großen Strafkammer, Dieter Temming, könnte danach sein Urteil sprechen. Möglich sei aber auch, dass die Kammer erst an einem weiteren Prozesstag ihre Entscheidung verkündet, so ein Gerichtssprecher auf Anfrage von Dialerschutz.de.
Von der Schadenssumme her ist das Osnabrücker Verfahren das Größte, das es jemals in Deutschland wegen Dialer-Betrugs gab. Im Dezember 2005 waren in Hamburg zwei Männer wegen Betrugs mit Dialern zu Freiheitsstrafen auf Bewährung und 2,1 Millionen Euro Geldbußen verurteilt worden. Die beiden Beschuldigten hatten eingeräumt, in den Jahren 2003 und 2004 Werbebanner im Internet derart präpariert zu haben, dass sich Internetsurfer beim Klick darauf Dialer einfingen. Über Rückverfolgung gelangten die Täter an die Adressen der Surfer und schickten ihnen anschließend im Namen der Firma „Hanseatische Abrechnungssysteme“ Rechnungen für angeblich abgeschlossene Erotik-Abonnements ins Haus. Der angerichtete Schaden belief sich knapp 3,2 Millionen Euro. Es war das erste Mal überhaupt, dass Täter vor einem Gericht die Existenz von vollautomatischen Dialern bestätigten.