0900-Missbrauch: Bundesnetzagentur schaltet Staatsanwaltschaft ein
Seit gut drei Monaten werden Verbraucher in Deutschland wieder massiv mit so genannten Gewinn-Anrufen belästigt. Das Ziel der Täter: Ihre Opfer sollen zum Anruf einer teuren 0900-Nummern verleitet werden. Jetzt werden sich die Ermittlungsbehörden mit den Tricks beschäftigen: „Eine Mitteilung an die Staatsanwaltschaft ist in Vorbereitung“, sagt Behördensprecher Rudolf Boll.
„Herzlichen Glückwunsch. Als Teilnehmer unserer exklusiven Auslosung am heutigen Tage haben Sie garantiert einen der folgenden Preise gewonnen: einen Geldpreis in Höhe von bis zu 3000 Euro oder einen Sachpreis von bis zu 1500 Euro. Und dabei gibt es keinen Haken.“ So und ähnlich lauten die Bandansagen, die Telefonbesitzern seit einigen Wochen wieder verstärkt vorgespielt werden. Den Haken gibt es natürlich schon: Wer den angeblichen Gewinn haben will, soll eine ganz bestimmte 0900-Nummer anrufen. Der Rest ist bekannt: Wer die 0900-Nummer anruft, wird eine halbe Stunde oder sogar länger mit dümmlichen Abfragespielen in der Leitung gehalten – zu 1,99 Euro pro Minute. Von glücklichen Gewinnern ist derweil nichts bekannt.
Wer hinter den Lockanrufen steckt, ist wie üblich völlig unklar. Die Spur zu den Tätern verliert sich im Ausland. Als Inhaberin der 0900-Nummern, die in den vergangenen Monaten für die Masche missbraucht wurden, ist bei der Bundesnetzagentur eine Firma namens Costa Blanca de informatica y telekommunicaciones SL mit Sitz im spanischen Altea registriert. Dabei dürfte es sich freilich um eine Briefkastenfirma handeln, wie auch bei der „Athenia-Symi Ltd.“ in London, die ebenfalls mehrfach durch Spam für ihre 0900-Nummern auffällig wurde.
Fehler im System, vom Gesetzgeber übersehen
Dass die Hintermänner der beiden Briefkastenfirmen trotzdem immer wieder neue 0900-Nummern für ihre Masche zugeteilt bekommen, ist ein Fehler im System, der seit Jahren vom Gesetzgeber geflissentlich übersehen wird. „Es ist an keiner Stelle gesetzlich geregelt, dass die Zuteilung von Rufnummern an eine Zuverlässigkeit des Antragsstellers geknüpft ist“, räumt Rudolf Boll, Sprecher der Bundesnetzagentur, ein. Die Agentur habe beantragte Rufnummern m Falle von Einzelzuteilungen innerhalb einer Frist von sieben Tagen zuzuteilen. Und das mache sie: „Die Bundesnetzagentur kann aufgrund des Gesetzesvorbehalts des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz nur da eingreifen, wo eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage vorhanden ist.“ Sprich: Selbst wenn dubiose Unternehmen fortgesetzt und hartnäckig gegen die Zuteilungsregeln verstoßen und Verbraucher abzocken, können die Regulierer – nach eigene Worten – nichts unternehmen.
Wie viele Verbraucher sich mittlerweile über die Spam-Anrufe der „Costa Blanca-Connection“ beschwert haben, mag die Netzagentur so auch nicht sagen. Lieber spricht man über die Konsequenzen, die bei der Behörde gezogen werden (können). Boll betont gegenüber Dialerschutz.de, dass man bei gesicherter Kenntnis des Missbrauchs nicht nur die Abschaltung der 0900-Nummer anordne; im Fall der beiden Firmen seien regelmäßig auch Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbote verhängt worden. Das bedeutet: Vom Zeitpunkt an, als für die Behörde – etwa durch Verbraucherbeschwerden – feststand, dass eine Nummer rechtwidrig beworben wird, durften dafür keine Gebühren nicht mehr eingefordert werden. Die Idee dahinter: Der Missbrauch von 0900-Nummern könnte dadurch gestoppt werden, das er sich einfach finanziell nicht mehr lohnt.
Ob dieses Konzept aufgeht, ist aber mittlerweile fraglich. Denn die Bundesnetzagentur versucht schon länger, 0900- und 0137-Abzockern so finanziell den Hahn abzudrehen. In den aktuellen Fällen geht die Agentur immerhin noch einen Schritt weiter. Wie es auch im § 67 TKG vorgesehen ist, lässt sie die Vorgänge nun von den Ermittlungsbehörden prüfen. „Eine Mitteilung an die Staatsanwaltschaft ist in Vorbereitung“, sagt Boll.
Studie der Bundesregierung: Gewinnanrufe sind Betrug
Und die Staatsanwaltschaft müsste wohl wegen Betrugs gegen die Täter ermitteln. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls eine Studie, die sich im Auftrag der Bundesregierung mit dem Missbrauch von Mehrwertdienste-Nummern beschäftigte. Darin überprüften Strafrechtler auch Gewinnanrufen wie im vorliegenden Fall. Ihr Schluss zu dieser Masche: Es handle sich um irreführende Werbung, „weil die einzige Absicht des Betreibers dieser Maßnahme das Bewerben dieser Rufnummern ist.“ Und: „Schließlich ist sie strafrechtlich als Betrug (§ 263 StGB) relevant, denn sie soll den Angerufenen zu einer Vermögensverfügung, dem Begründen der Mehrwertdiensteforderung, veranlassen, indem diesem vorgespiegelt wird, er müsse nur den Gewinn, also etwas für ihn Positives, abrufen.“