Internet-Zensur: 100.000 Menschen gegen Netzsperren
100.000 Menschen haben mittlerweile in einer Petition gegen Netzsperren und Zensur im Internet protestiert. Ob sich CDU-Ministerin Ursula von der Leyen in ihrem Kampf gegen Kinderpornos davon beeindrucken lässt, ist allerdings fraglich.
Über 100.000 Menschen haben mittlerweile die ePetition: „Internet – Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten“ mitgezeichnet. Über 100.000 Befürworter von Kinderpornografie? Nein. „Das vornehmliche Ziel – Kinder zu schützen und sowohl ihren Mißbrauch, als auch die Verbreitung von Kinderpornografie, zu verhindern stellen wir dabei absolut nicht in Frage – im Gegenteil, es ist in unser aller Interesse„, heißt es in der Petition der Sperren-Gegner. Doch genau dieses Ziel sei mit den Plänen von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) nicht erreichbar: „Eine Sperrung von Internetseiten hat so gut wie keinen nachweisbaren Einfluß auf die körperliche und seelische Unversehrtheit mißbrauchter Kinder„, so die Unterzeichner.
Die Gegner der Netzsperren halten die Pläne der CDU nicht nur für technisch unsinnig, weil DNS-Sperren von Jedermann binnen Minuten überwunden werden können. Die Kritiker fürchten auch, dass die Kinderporno-Sperren nur der Einstieg in eine weitergehende, staatliche Netz-Zensur sind. Immerhin gibt es viele Begehrlichkeiten, unliebsame Inhalte sperren zu lassen – vom Glücksspiel bis hin zu Musik- oder Filmseiten.
Ohne richterliche Kontrolle
Vor allem kritisiert wird aber die Weise, wie die Sperren nach von der Leyens Plänen organisiert werden sollen: BKA-Beamte sollen geheime Listen erstellen und sie den Internetprovidern zukommen lassen. Diese müssen die aufgeführten Seiten dann sperren. Eine richterliche oder parlamentische Kontrolle der Sperren war zunächst nicht geplant. Außer den zuständigen Polizeibeamten weiß also niemand, was und warum gesperrt und mit einem virtuellen Stoppschild versehen wurde.
Auch unschuldige Internetnutzer unter Verdacht
Ebenfalls bedenklich, so die Kritiker: Wer eine gesperrte Seite aufrufen will – etwa weil er über einen Link oder technische Tricks darauf geführte wurde – muss mit Strafverfolgung rechnen. Das heißt: Niemand kann in Zukunft mehr einem Link trauen. Er muss immer damit rechnen, dass man ihn in die Falle locken will – und die Polizei zeitnah zur Durchsuchung vor der Tür steht.
„Ausblendung von problematischen Inhalten schützt nur die Täter“, argumentiert der Chaos Computer Club (CCC) und fordert, doch lieber energisch gegen die Hersteller und Verbreiter von Kinderpornografie vorzugehen. „Web-Server, die Bilder und Filme von Kindesmissbrauch verbreiten, lassen sich einfach aufspüren und abschalten – die meisten stehen in den USA und Westeuropa“, betont auch Alvar Freude vom Vorstand des Fördervereins Informationstechnik und Gesellschaft e.V. (FITUG). Er lieferte den Beweis sofort nach: Nach Meldung von verdächtigen Internetseiten an Internetprovider wurden 60 gemeldete Seiten prompt gelöscht. Stattdessen einfach nur ein Stoppschild vor die Seiten zu stellen, sei „wirkungsloser Aktivismus zu Wahlkampf-Zeiten“.
Der Kampf um die Netzsperren selbst geht weiter. Noch bis zum 16. Juni läuft die Petition gegen von der Leyens Pläne. Ob und wann das entsprechende Gesetz dann in Kraft tritt, ist noch offen. Vor allem, wenn sich das Verfahren bis nach der Bundestagswahl ziehen sollte: FDP und Grüne haben sich bereits gegen die Internetsperren ausgesprochen.
Und auch die SPD mag die Zensur-Wünsche seines Koalitionspartners in der Bundesregierung nicht mehr einfach so hinnehmen. Nach einer Anhörung von Experten, die teils erhebliche Pläne gegen die Zensur äußerten, soll das Zensur-Vorhaben in Sachen Kinderpornos nun noch einmal überarbeitet werden.