Justizministerin will Abmahn-Industrie einbremsen
„Abmahnung“ – kaum ein Haushalt in Deutschland hat davon noch nichts gehört, kaum noch jemand, der aus seinem Bekanntenkreis niemanden weiß, der nicht schon mal eine Abmahnung bekommen hätte. Jetzt will die Justizministerin die „Abmahnindustrie“ etwas einbremsen.
Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung hat es die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vor allem auf diejenigen Abmahner abgesehen, die Kleingewerbetreibende und Privatleute abmahnen, die auf Onlineplattformen wie ebay oder mit eigenen, kleinen Onlineshops Waren verkaufen. Hintergrund einer solchen Abmahnung ist in vielen Fällen das komplizierte deutsche Recht: die Vorschriften für Gewerbetreibende sind so komplex, dass es kaum möglich ist, auch nur einen einzigen Artikel online zu verkaufen, ohne sich vorher ausgiebig anwaltlich beraten zu lassen. Der kleinste Fehler (z.B. eine falsch oder unscharf formulierte Widerrufsbelehrung, eine fehlende Angabe im Impressum,…) führt oft dazu, dass teure Abmahnungen im Briefkasten landen. Juristisch sind die Abmahner im Recht: jeder Konkurrent darf den Händler über einen Rechtsanwalt abmahnen lassen und die Kosten für den Rechtsanwalt vom Empfänger der Abmahnung fordern. Eigentlich sind solche Schreiben dazu gedacht, wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten außergerichtlich beizulegen. Man gibt dem Abgemahnten quasi die Chance, sein widerrechtliches Verhalten ohne langen und teuren Prozess zu korrigieren, der für beide Seiten mit kaum kalkulierbaren Kosten verbunden wäre. Und weil das ja im eigentlichen Interesse des Abgemahnten ist, muss der die Kosten für den Rechtsanwalt übernehmen. Das ist allerdings einer der heiklen Punkte: die Kosten für den Rechtsanwalt orientieren sich am Streitwert, der wiederum zunächst mal vom Konkurrenten festgelegt wird. Hoher Streitwert – hohe Kosten im gesamten Verfahren. Allein schon damit wird in der Praxis oft verhindert, dass Abmahnungen gerichtlich überprüft werden. Bei entsprechend hohem Streitwert können schon die Gerichtskosten eventuell existenzgefährdend sein. Im Zweifelsfall wird also lieber gezahlt, als gestritten. Und damit machen einige Anwälte ganz gut Kasse.
Sollte man doch an einen streitbaren Abgemahnten kommen, so wird dann der Gerichtsstand je nach Sachlage gewählt: mit der Zeit haben sich bei verschiedenen Gerichten Entscheidungstendenzen herausgebildet, die man gern für die eigenen Zwecke nutzt. Momentan haben die Abmahner die freie Wahl: bei Wettbewerbsverstößen im Internet kann man sich das zuständige Gericht quasi aussuchen.
Genau dagegen will die Bundesjustizministerin jetzt vorgehen. Zunächst soll das Gebührenrecht dahingehend geändert werden, dass die Kosten nicht mehr fast beliebig hoch angesetzt werden können. Auch die freie Wahl des Gerichtsstands soll nicht mehr im bisherigen Umfang möglich sein. Bei missbräuchlichen Abmahnungen soll gar Schadenersatz für den Abgemahnten im Gesetz verankert werden. Allein die Feststellung des Missbrauchs wird aber vermutlich nur durch (teure und aufwändige) Gerichtsverfahren möglich sein.
Auch im Bereich der urheberrechtlichen Abmahnungen soll sich einiges ändern. Insgesamt sollen anwaltliche Geschäftsmodelle in Frage gestellt werden, die allein auf massenhafte Abmahnungen fußen. Abmahnungen waren grundsätzlich nämlich nicht dazu gedacht, möglichst viel Umsatz zu erwirtschaften, sondern echte Mißstände schnell, unbürokratisch und ohne Gerichtsbeteiligung zu beheben. Vom Grundgedanken her ist eine Abmahnung um Interesse aller Beteiligten. In der Praxis sieht das aktuell etwas anders aus.
Noch ist freilich alles Zukunftsmusik. Ein entsprechender Gesetzentwurf mit den genannten Änderungen soll „demnächst“ vorgelegt werden. Es bleibt abzuwarten, was letztendlich am Ende dabei herauskommt.