Mord in Emden: Nutzer von Facebook droht hohe Strafe nach Lynch-Aufruf
Der Mord an einer Elfjährigen in Emden schockiert Deutschland. Doch nicht nur gegen den Tatverdächtigen wird ermittelt. Auch ein anderer 18-Jähriger muss mit hoher Geld- oder sogar Freiheitsstrafe rechnen. Er hatte bei Facebook einen Aufruf zur Lynch-Justiz veröffentlicht.
Das Sexualverbrechen an dem elfjährigen Mädchen in einem Parkhaus in Emden gilt eine Woche nach der Tat als geklärt: Ein 18-Jähriger hat nach Polizeiangaben die Tat gestanden. Belastet wird er den Angaben zufolge auch von DNA-Spuren, die am Tatort in Emden sichergestellt worden waren. Gegen den Verdächtigen wurde Haftbefehl erlassen. Der zuständige Oberstaatsanwalt Bernard Südbeck sprach am Sonntag von „klaren, handfesten Beweisen“ gegen den Tatverdächtigen.
Zweite Festnahme nach Mord in Emden
Es war die zweite Festnahme im Fall der ermordeten Elfjährigen in Emden. Denn am Mittwoch war zunächst gegen einen 17-Jährigen Haftbefehl erlassen worden. Der Schüler war von einem Zeugen belastet worden, hatte sich in der Vernehmung in Widersprüche verwickelt – und hatte außerdem zunächst keine Alibi vorweisen können.
Fatal: Nachdem er festgenommen worden war, begann unter anderem bei Facebook eine regelrechte Hetzjagd auf den Schüler. Es dauerte nur kurze Zeit, bis sein Name und seine Adresse bei Facebook zu lesen waren. Neben Aufrufen zu Kastration und Todesstrafe gab es laut Polizei auch Forderungen, den Verdächtigen zu lynchen. Tatsächlich sammelte sich wenig später ein Mob von rund 50 Menschen vor der Polizeistation in Emden und stellte Forderungen, die die Ermittler später als „Aufruf zur Lynchjustiz“ bezeichneten. Die Versammlung, bei der Rufe wie „steinigt ihn“ gehört wurden, dauerte mehrere Stunden.
Ursprünglich Tatverdächtiger in Emden auf freiem Fuß
Wenig später stellte sich heraus, dass die aufgebrachte Menge einen Unschuldigen gelyncht hätte. Denn der 17-Jährige kam auf freien Fuß – weil sich der Tatverdacht in Luft auflöste. Stattdessen wurde ein 18-Jähriger verhaftet. Seine DNA stimmte laut Staatsanwaltschaft mit am Tatort gesicherten Spuren überein. Zudem legte er ein Teilgeständnis ab.
Der völlig unschuldige 17-Jährige befindet sich derweil zu seinem eigenen Schutz an einem sicheren Ort und wird auch psychologisch betreut.
Aufruf zur Lynchjustiz hat Folgen
Die Aufrufe zur Lynchjustiz bei Facebook werden aber nicht ohne Folgen bleiben. Wie die Polizei berichtet, ermittelt sie gegen einen 18-Jährigen, der in dem sozialen Netzwerk dazu aufgerufen hatte, die Polizei in Emden zu stürmen und den da noch verdächtigen 17-Jährigen herauszuholen. Dem Mann wird öffentlicher Aufruf zu Straftaten vorgeworfen. Sollte ein Gericht zum Schluss kommen, dass der Facebook-Nutzer schuldig ist, drohen ihm nach § 111 StGB eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.
Sollte der 18-Jährige tatsächlich verurteilt werden, könnte das durchaus Signalwirkung haben. Bei Facebook, in Foren, aber auch in Blogs und bei Twitter sind Nutzer nicht nur schnell mit Vorverurteilungen bei der Hand; gerade wenn es um Sexualstraftaten geht, sind Rufe nach körperlicher Misshandlung oder gar der Tötung von Verdächtigen keine Seltenheit. Der Fall Emden zeigt, dass derartige Aufrufe tatsächlich dazu führen können, dass ein Mob zur Tat schreiten will.
Für denjenigen, der den Aufruf zur Lynchjustiz bei Facebook oder andernorts im Internet getätigt hat, kann das direkt ins Gefängnis führen. Denn der Tatbestand der öffentlichen Aufforderungen zu Straftaten sieht vor, dass derjenige, der zur Tat aufruft wie ein Anstifter zu bestrafen ist, wenn die Aufforderung tatsächlich in eine entsprechende Tat mündet. „Wer also zum Beispiel zu einem Mord auffordert, muss mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe rechnen, wenn dieser Mord dann begangen wird“, stellt der Freisinger Rechtsanwalt Thomas Stadler in seinem Blog fest.