KVR Handelsgesellschaft: Massen-Abmahnungen offenbar lange geplant
Abgemahnt durch U+C Rechtsanwälte: Hunderte, vermutlich eher tausende Internetshops bekamen in den vergangenen Tagen eine Abmahnung, veranlasst durch eine KVR Handelsgesellschaft mbH mit Sitz in Gammelsdorf. Hinter der offenbar lange geplanten Abmahnungs-Welle stecken Zeitgenossen mit fragwürdiger Vergangenheit.
Es ist eine regelrechte Abmahnungswelle, die seit Anfang August durch Deutschland rollt. Betroffen sind Online-Shops der verschiedendsten Art. Sie alle erhalten kostenpflichtige Abmahnungen der Rechtsanwälte Urmann + Collegen (U+C RAe) aus Regensburg. Der Grund sind angeblich fehlerhafte Allgemeine Geschäftsbedingungen der Shops. Wegen dieser Wettbewerbsverstöße sollen die betroffenen Unternehmen Unterlassungserklärungen abgeben – und die angeblich entstandenen Anwaltskosten zahlen. Wie Anwälte der Betroffenen berichten, sollen pro Abmahnung mehrere hundert Euro fällig werden. Auftraggeberin der Abmahnungen ist die KVR Handelsgesellschaft mbH mit Sitz in Gammelsdorf .
Wer eine solche Abmahnung der U+C Rechtsanwälte bekommen hat, sollte allerdings keinesfalls übereilt zahlen. So manches spricht nämlich dafür, dass es bei den Massen-Abmahnung im Namen der KVR Handelsgesellschaft nicht mit rechten Dingen zugeht. Computerbetrug.de fasst den aktuellen Stand zusammen.
Was ist die KVR Handelsgesellschaft mbH in Gammelsdorf?
Der KVR Onlineshop wurde – so zumindest meldet es eine Google-Abfrage – etwa um den 10. August 2012 erstmals überhaupt ins Internet gestellt. Bereits am 10. August 2012 meldeten dann auch die ersten Anwälte Abmahnungen im Namen der KVR gegen andere Onlineshops. Im Angebot der KVR waren zunächst mehrere tausend Artikel – deren Bilder und Beschreibungen praktisch 1:1 denen im Onlineshop des Otto-Versands glichen (siehe Bidergalerie). Seit dem 10. August war der Shop mehrfach – etwa „wegen Wartungsarbeiten“ – nicht erreichbar.
Wer steckt hinter der KVR Handelsgesellschaft in Gammelsdorf?
Als Geschäftsführer der KVR zeichnet laut Impressum Frank D. mit Sitz in Gammelsdorf. Dieser war in den vergangenen Jahren vor allem im Zusammenhang mit Abofallen im Internet aufgefallen, etwa durch die Firma OPM Media GmbH und Seiten wie live2gether.de oder drive2u.de. Zudem war er Prokurist der umstrittenen DOZ Deutsche Zentral Inkasso, ist seit Ende 2011 dort Geschäftsführer. Zuvor war dies Bernhard S. – der inzwischen Chef der Olivosmedia GmbH ist.
Was hat es mit der Anwaltskanzlei U+C auf sich?
Die Kanzlei Urmann und Kollegen machte in der Vergangenheit vor allem durch Filesharing-Abmahnungen ihr Geld. Zuletzt sorgte sie mit der Ankündigung für Schlagzeilen, eine sogenannte Gegnerliste online stellen zu wollen. Medien werteten das als massiven Versuch der Einschüchterung gegenüber Betroffenen von Filesharing-Abmahnungen. Denn vor allem Porno-Konsumenten im Internet, die von U+C abgemahnt wurden, könnten mit einem solchen Online-Pranger dazu gebracht werden, sich nicht weiter gegen fragliche Abmahnungen zu wehren und stattdessen lieber zu zahlen. Experten rieten in einem solchen Fall zum Widerstand gegen die Kanzlei U+C: „Sollte dies doch geschehen oder noch konkreter angekündigt werden, würde ich Mandanten raten, sofort eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Außerdem müsste man überlegen, ob das Ganze nicht auch als (versuchte) Nötigung strafbar wäre“, so etwa der bekannte Strafrechtler Udo Vetter in seinem lawblog.de
Wie liefen die Abmahnungen der KVR Handelsgesellschaft ab?
Die Abmahnungswelle war, so macht es zumindest den Eindruck, generalstabsmäßig geplant. Zunächst suchte die Olivosmedia GmbH von Bernhard S., einem guten Bekannten von Frank D., per Stellenanzeige 30 Fachkräfte, um Rechtsverstösse im Internet zu recherchieren, AGB rechtlich zu prüfen und gefundene Verstösse zu dokumentieren. Antritt der Mitarbeiter der Olivosmedia mit Sitz in München, Grillparzerstr. 12, sollte der Stellenazeige zufolge am 11. Juli 2012 sein. Gut einen Monat später wurde der Internetshop KVR online gestellt. Kurz darauf erhielten die ersten „Mitbewerber“ die kostenpflichtigen Abmahnungen zugestellt.
Auch der Briefkasten der KVR deutet darauf hin, dass zwischen dem „Shop-Betreiber“ Frank D. und der Olivosmedia GmbH mehr als enge Beziehungen bestehen. Faktisch residieren beide offensichtlich unter einer gemeinsamen Adresse.
Eine Chronologie der Ereignisse gibt es auch in unserem Forum.
Was halten Fachleute von den Abmahnungen der U+C Rechtsanwälte im Namen der KVR?
Sie raten vor allem dazu, nicht einfach zu zahlen. „Es sind massive Erkenntnisse darüber vorhanden, dass diese Abmahnungen als rechtsmissbräuchlich einzustufen sind. Es dürfte sich nach diesseitiger Erkenntnis um eine unzulässig Massenabmahnung handeln“, schreibt etwa Dr. jur. Walter Felling von der gleiochnamigen Kanzlei. „Jedes Unternehmen, dass von diesem Duo abgemahnt wird, sollte in keinem Fall ohne anwaltliche Prüfung die strafbewehrte Unterlassungserklärung unterzeichnen und auch keine Zahlungen leisten.“
„Es sind allein im Internet über fünfzig Abmahnungen, die wohl in den vergangenen zwei Wochen verschickt wurden, aufgelistet. Die wahre Zahl dürfte nach unserer Schätzung deutlich höher liegen, wahrscheinlich schon eher bei 300 – 500 Abmahnungen oder noch mehr“, schreiben elixir Rechtsanwälte Marten & Partner.
„Bislang liegen lediglich vereinzelte U+C Abmahnungen für KVR vor. Kommt jedoch heraus, dass innerhalb kurzer Zeit derart viele Abmahnungen von U+C ausgesprochen werden, dass kein „vernünftiges“ Verhältnis zur eigentlichen Geschäftstätigkeit von KVR mehr besteht, könnte ein Rechtsmissbrauch vorliegen“, urteilt Rechtsanwalt Andreas Forsthoff in Heidelberg – und schilderte weitere Merkwürdigkeiten im Zusammenhang imt dem Chef der KVR, Frank D.
„Uns liegen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen der KVR Handelsgesellschaft mbH aus Gammesldorf (www.kvr-onlineshop.de) vor. Die KVR Handelsgesellschaft wird durch die Rechtsanwälte U+C (Urmann + Collegen) aus Hamburg und Regensburg vertreten“, berichtet die Kanzlei Oliver Wallscheid in Münster.
Rechtsanwalt Mathias Busch aus Hannover fällt auf seiner Seite gleich eine deutliche Entscheidung: „Die Abmahnung ist in dem uns vorgelegten Fall schon materiell unbegründet. Zudem dürfte es sich um einen Fall unseriöser Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche handeln. Das folgt bei der uns vorliegenden Abmahnung schon dem Umstand, dass für die Abgabe der Unterlassungserklärung reflektionslos ein Fristablauf für kommenden Sonntag um 12:00 Uhr vorgesehen wird, dass das Adressfeld in der Abmahnung aus einem rudimentären Datensatz zusammengesetzt ist und dass als einzige Form der Individualisierung am Ende des Schreibens lediglich ein Screenshot der AGB eingefügt wurde“, schreibt er.
Rechtsanwalt Johannes Richard aus Rostock betreut ebenfalls Opfer der KVR-Abmahnungen: „Uns liegen mehrere Abmahnungen vor. In dem von uns betreuten Fall bestehen nach unserer Meinung zahlreiche Anhaltspunkte für Rechtsmissbrauch. In einen anderen Fall ist die Abmahnung nach unserer Ansicht diese nicht berechtigt“, schreibt der Jurist.
Mittlerweile über 50 Fälle von KVR-Abmahnungen liegen Anwalt Alexander Schupp vor. Er zeigt diese mit Aktenzeichen auf seiner Webseite.
Und die Kanzlei Damm in Hamburg weist darauf hin, dass weder die hohe Zahl der plötzlichen Abmahnungen, noch die Stellenanzeige einer Firma olivosmedia GmbH per se ein Beweis für eine hier vorliegende Abzocke seien. Aber: „Rechtsmissbräuchlich ist es allerdings, wenn die Abmahntätigkeit des abmahnenden Unternehmens in keiner Relation mehr mit der eigenen Geschäftstätigkeit steht oder ein Shop mit den Produktabbildungen und -texten eines anderen Onlinehändlers versehen ist, der Webauftritt also ersichtlich nur pro forma geführt wird, um eine Aktivlegitimation für die eigene Abmahntätigkeit zu konstruieren. Es ist also die Gesamtschau an Indizien, welche einen Rechtsmissbrauch belegt. Aus unserer Sicht sind weitere Indizien gegeben, die für einen solchen Rechtsmissbrauch sprechen“, so die Juristen auf ihrer Webseite.
Abgemahnt von U+C und KVR: Was tun?
Angesichts der großen Fragezeichen sollte jeder Abgemahnte dringend Rat bei einem Rechtsanwalt einholen. Viel Experten schließen nicht aus, dass es bei den vorliegenden Abmahnungen nicht darum geht, wettbewerbsrechtliche Nachteile zwischen Onlineshops zu beheben – es könnte möglicherwesie einfach nur darum gehen, auf die Schnelle Geld zu verdienen.