Abmahnung von U+C wegen Redtube: Das müssen Sie jetzt dazu wissen
Die Kanzlei Urmann + Collegen (U + C) hat tausenden Internetnutzern eine teure Abmahnung geschickt, weil sie angeblich auf der Seite Redtube einen Porno-Stream angesehen haben. Was ist dran an den Abmahnungen? Ist Streaming illegal? Muss ich zahlen? Wie kann ich mich als Betroffener wehren? Computerbetrug.de fasst den aktuellen Stand zusammen.
Abmahnungen der Kanzlei U+C wegen Redtube: Was ist da genau passiert?
Die Regensburger Kanzlei U+C hat in den vergangenen Tagen ungezählte Menschen wegen Nutzung der Internetplattform Redtube abgemahnt. Die Betroffenen hätten einen oder mehrere Pornofilme per Stream gesehen und damit einen Urheberrechtsverstoß begangen. Dafür sollen die Abgemahnten eine Unterlassungserklärung abgeben und 250 Euro zahlen, nämlich 169,50 Euro Anwaltskosten, 65 Euro Ermittlungskosten und 15,50 Euro Schadensersatz.
Ist das Ansehen eines Video-Streams im Internet tatsächlich ein Urheberrechtsverstoß?
Das ist die entscheidende Frage. Denn was die Kanzlei U+C in ihren Abmahnungen einfach mal so behauptet, ist alles andere als klar. Ganz im Gegenteil ist die Frage, ob Streaming tatsächlich ein Urheberrechtsverstoß ist, bislang nicht höchstrichterlich entschieden. Viele renommierte Juristen, etwa der bekannte Strafrechtler Udo Vetter, der Fachanwalt für Urheberrecht Karsten Gulden, oder der Anwalt Christian Solmecke gehen davon aus, dass Streaming eben kein Urheberrechtsverstoß ist. Damit wären die Abmahnungen der U+C hinfällig. „Im Ergebnis dürfte (…) das Anschauen eines Films per Stream trotz Zwischenspeicherung im Cache urheberrechtlich nicht zu beanstanden sein, da die Ausnahme des § 44 a UrhG hier greift“, schreibt etwa Solmecke aktuell in seinem Blog.
Wie ist die Abmahnung rechtlich zu werten?
Bei den Streaming-Abmahnungen der U+C gibt es eine ganze Reihe von Punkten, die es durchaus fraglich machen, ob die Kanzlei damit durchkommt:
- Es ist völlig ungeklärt, ob das Ansehen von Streams tatsächlich illegal ist.
- Es ist äußerst fragwürdig, ob Redtube eine „offensichtlich rechtswidrige Quelle“ ist. Nur dann könnte man – so das Gesetz – überhaupt Schadensersatz geltend machen.
- Der angesetzte Gegenstandswert ist nach Meinung von Verbraucherschützern zu hoch (siehe weiter unten).
- Als Anschlussinhaber muss man nicht für jeden Urheberrechtsverstoß haften, der über seinen Anschluss erfolgt ist. „Die Rechtsanwälte U + C behaupten dies in ihrem Schreiben zwar, aber die Rechtsprechung sieht mittlerweile anders aus“, so der Strafrechtler Udo Vetter. „So kommen meist auch Ehegatten, Kinder, Mitbewohner oder schlicht Besucher als Bösewichte in Betracht. Für deren Fehlverhalten haftet ein Anschlussinhaber nicht, wenn er die Mitnutzer darüber belehrt hat, dass sie keine Urheberrechtsverletzungen begehen sollen.“
Sind 250 Euro bei einer solchen Abmahnung üblich und zulässig?
Abmahnungen wegen Streaming sind in Deutschland bislang kaum bekannt geworden. Im vorliegenden Fall halten Experten die 250 Euro allerdings für deutlich überhöht. „Ferner ist nicht nachzuvollziehen, warum Urmann und Collegen als Gegenstandswert 1.080 Euro ansetzen“, schreibt etwa die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Nach dem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken wurde der Streitwert für die außergerichtliche Geltendmachung auf 1.000 Euro beschränkt. Dieses Gesetz ist am 8. Oktober 2013 in Kraft getreten. Dies führt dazu, dass die Geschäftsgebühr 149,50 Euro statt 104 Euro beträgt. Dieses Geschäftsgebaren ist aus unserer Sicht rechtlich unzulässig.“
Wie ist die Kanzlei U+C an die Daten der Abgemahnten gekommen?
Mehreren Berichten zufolge hat U+C wohl beim Landgericht Köln einen Herausgabebeschluss erwirkt. Daraufhin mussten die Internetprovider – vor allem wohl die Telekom – die Daten von Anschlussinhabern herausgeben, zu denen die bei der Stream-Nutzung mitgespeicherten IP-Adressen passen. Eine solche Herausgabe von Daten ist bei vorliegenden – oder zumindest glaubhaft gemachten – Urheberrechtsverletzungen grundsätzlich erlaubt.
Woher die IP-Adressen der – angeblichen – Stream-Nutzer stammen, ist bislang unbekannt.
In Berichten heißt es, möglicherweise seien die Betroffenen der Abmahnungen Opfer eines Virus‘ geworden. Stimmt das?
Diese Gerüchte gibt es. Demnach könnten völlig unschuldige und ahnungslose Internetnutzer ins Visier der Abmahner geraten sein, indem ihre Daten abgefangen und missbraucht wurden – und so der angebliche Urheberrechtsverstoß konstruiert wurde. Handfeste Beweise dafür gibt es aber aktuell noch nicht.
Ich habe die Seite Redtube genutzt und wurde jetzt abgemahnt. Sollte ich zahlen?
Das kann man pauschal nicht beantworten. Vieles spricht dafür, nicht zu bezahlen: Die fragliche Rechtsgrundlage der Abmahnungen, die strittige Höhe der Abmahnkosten, die dubiose Art und Weise, wie U+C an die Nutzerdaten kam. Anderereseits besteht bei Nichtbezahlung die – theoretische – Möglichkeit, dass die Kanzlei vor Gericht zieht.
Ich habe die Seite Redtube niemals genutzt und wurde jetzt abgemahnt. Sollte ich trotzdem zahlen?
In diesem Fall spricht noch weniger dafür, zu bezahlen.Bitte setzen Sie sich mit einem Juristen oder einer örtlichen Verbraucherzentrale in Verbindung und klären Sie den Fall.
Ich kann nicht ausschließen, dass meine Kinder hier am Werk waren. Muss ich für sie haften?
Jein. Der Bundesgerichtshof hat 2012 entschieden, dass Eltern nicht für ihre minderjährigen Kinder haften, wenn sie diesen verboten hatten, urheberrechtlich geschützte Dateien über Tauschbörsen im Internet zu teilen. Dies muss man aber nachweisen können, etwa durch eine schriftliche Bestätigung der Kinder oder durch Zeugen.
Habe ich meine Ruhe, wenn ich die 250 Euro gezahlt habe?
Das ist nicht garantiert. Erste Betroffene berichten schon, dass sie gleich mehrere Abmahnungen von U+C bekommen haben. Außerdem müssen Sie grundsätzlich damit rechnen, dass Sie nach einer Bezahlung als „leichtes Opfer“ gelten.
Bekomme ich mein Geld zurück, wenn die Abmahnungen unberechtigt waren?
Theoretisch können Sie das versuchen. In der Praxis wohl eher nein.
Kann ich die Abmahnung ignorieren?
Schwierig zu beantworten. Den Brief des Anwalts zu ignorieren und einfach in den Papierkorb zu werfen, könnte problematisch werden, weil die U+C theoretisch vor Gericht ziehen könnte. Andererseits ist kaum zu erwarten, dass die Kanzlei jeden der zig-tausend Abgemahnten bei der vorliegenden fragwürdigen Rechtslage vor Gericht zerrt. Zusammengefasst: Es gibt ein gewisses Restrisiko vor Gericht gezerrt zu werden oder eine einstweilige Verfügung zu bekommen, wenn man die Streaming-Abmahnung ignoriert. Aber es ist überschaubar.
Was kann mir schlimmstenfalls passieren, wenn ich nicht zahle oder nicht auf die Abmahnung reagiere?
Dann könnte die Kanzlei gegen Sie eine einstweilige Verfügung vor Gericht erwirken. Dies geschieht in den meisten Fällen ohne mündliche Verhandlung im Schnellverfahren. Die Kosten des Verfahrens werden Ihnen auferlegt. Gegen diese Verfügung könnten sie dann Widerspruch einlegen. Dann müsste die U+C – oder die von ihr vertretende Firma – vor Gericht ziehen und den Fall durchkämpfen. Ob sie das tun werden? Eher unwahrscheinlich, meinen viele Juristen.
Kommt es oft vor, dass die U+C gegen Abgemahnte vor Gericht zieht?
Nein. Zumindest sind bislang sehr wenige solche Fälle bekannt geworden.
Sollte ich die Unterlassungserklärung gegenüber U+C abgeben?
Davon raten Experten ab. „Auf keinen Fall sollte man ungeprüft die geforderte Unterlassungserklärung unterzeichnen, da diese nach unseren derzeitigen Erkenntnissen zu weit gefasst ist“, schreibt etwa die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. “Derzeit ist zur Abgabe der Unterlassungserklärung allerdings nicht zu raten. Es besteht jederzeit die Gefahr, dass der Nutzer im Internet den gleichen Film noch einmal anklickt und dann eine Vertragsstrafe zahlen müsste. Rechtlich ist der Nutzer aus unserer Sicht dazu auch nicht verpflichtet”, meint auch Anwalt Christian Solmecke.
Ich halte das Ganze für einen Betrugsversuch. Sollte ich Anzeige erstatten?
Das bleibt Ihnen unbenommen. Beachten Sie aber, dass eine Anzeigeerstattung Sie gegebenenfalls nicht vor weiteren rechtlichen Schritten der U+C schützt.
Was sagt U+C selbst zu dem Fall?
Die Kanzlei ist seit Tagen telefonisch nicht erreichbar. Presseanfragen blieben unbeantwortet.
Wie geht es in dem Fall jetzt weiter?
Man kann davon ausgehen, dass die Verbraucherzentralen sehr zeitnah Musterbriefe für Betroffene zur Verfügung stellen. Bis dahin sollte man gegebenenefalls bei der U+C um Fristverlängerung in seinem Fall bitten. Vermutlich werden auch erste Betroffene sich rechtlich gegen die Abmahnungen zur Wehr setzen.