Redtube-Abmahnungen: Landgericht Köln rudert zurück
Spektakuläre Wende im Fall der Redtube-Abmahnungen. Das Landgericht Köln, das tausende Internetnutzer der Abmahn-Kanzlei Urmann + Collegen ausgeliefert hatte, rudert zurück. Das Ansehen von Videos im Internet sei möglicherweise doch erlaubt, haben die Richter offenbar festgestellt. Für die Abmahnkanzlei ist das ein Schlag ins Gesicht. Ob alle Opfer der Abmahnwelle davon profitieren, ist aber offen.
Das Landgericht Köln erklärte einem Bericht von Meedia.de zufolge, dass einige Kammern, die zuvor den Anträgen der Abmahnanwälte stattgegeben haben, nun „dazu neigen, an ihrer ursprünglichen Einschätzung nicht mehr festzuhalten und den Beschluss aufzuheben bzw. auszusprechen, dass dadurch der Anschlussinhaber in seinen Rechten verletzt wurde“. Eine endgültige Entscheidung solle im Januar fallen.
Was heißt das konkret? Im Auftrag der Firma „The Archive“ hatten Anwälte beim Landgericht Köln behauptet, zig-tausende Internetnutzer hätten auf dem US-Portal Redtube Porno-Filme angesehen. Das sei ein Urheberrechtsverstoß, behaupteten die Anwälte. Sie legten dabei IP-Adressen vor und baten darum, die Klardaten der Nutzer zu bekommen, um diese abmahnen zu können.
In mehreren zehntausend Fällen gaben Kammern des Landgerichts Köln den Anträgen statt. Die Telekom wurde verpflichtet, die Adressen herauszugeben. Vor drei Wochen dann erhielten zehntausende Deutsche Abmahnungen der Regensburger Kanzlei Urmann + Collegen mit der Aufforderung, pro angesehenem Stream 250 Euro zu bezahlen.
Wie viele der Betroffenen – aus Angst oder Scham – die Abmahnungen akzeptierten und sofort Geld in die Schweiz überwiesen ist unklar. Zeitgleich regte sich aber massiver Widerstand gegen die Abmahnwelle der U+C. Blogger und Journalisten entdeckten zahlreiche Ungereimtheiten. Der Start von Briefkastenfirmen und dubiose Unternehmensgründungen waren den Abmahnungen vorausgegangen. Auch an der Software, mit der angeblich die IP-Adressen der später Abgemahnten gesichert wurden, bestehen erhebliche Zweifel. Der Augsburger Rechtsanwalt und Experte Hagen Hild nannte den ganzen Fall „Abzocke in großem Stil“ – noch eine der harmloseren Einschätzungen.
Ermittlungen nach Abmahn-Welle eingeleitet
Inzwischen haben mehrere Betroffene und Anwälte Strafanzeigen wegen Verdachts des Betruges und der Erpressung erstattet. Beim Landgericht Köln gingen über 50 Beschwerden gegen die Beschlüsse ein, mit denen die Herausgabe der Nutzerdaten erlaubt wurde. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob die Daten der später Abgemahnten auf Grundlage von falschen Behauptungen beschafft wurden.
Wie geht es nun weiter? Sollte das Landgericht Köln die Beschlüsse kassieren, kommt die Kanzlei Urmann + Collegen zweifellos in Erklärungsnot. Sie hatte stets argumentiert, nur deshalb abzumahnen, weil die Richter ja ihre Rechtsauffassung teilten.
Sollte die ganze Abmahnwelle wie ein Kartenhaus zusammenfallen, sind vor allem die Betroffenen fein heraus, die bis dato gar nichts getan haben. Schwieriger ist der Fall bei Abgemahnten, die bereits die 250 Euro oder mehr gezahlt haben. Ob sie ihr Geld jemals wiedersehen, ist fraglich.