Regierung verschärft Sexualstrafrecht – Scharfe Kritik von Anwälten und Journalisten
Die Bundesregierung verschärft das Sexualstrafrecht. Damit geraten aber nicht nur Pädophile zunehmend ins Visier der Justiz; die neuen Regelungen könnten auch dazu führen, dass der Staatsanwalt bei ganz normalen Familien und Journalisten vor der Haustür steht.
Gut ein Jahr nach dem Fall Edathy hat Bundesjustizminister Heiko Maas einen Gesetzentwurf zur Verschärfung des Sexualstrafrechts in Deutschland vorgelegt. Damit soll nicht nur der Besitz von sogenannten Posing-Bildern strenger verfolgt werden; künftig soll es auch schon strafbar sein, „normale“ Nacktfotos von Kindern im Internet zu verbreiten, oder Bilder, die Menschen in peinlichen Situationen zeigen, zu veröffentlichen. Der Deutsche Anwaltsverein und der Deutsche Journalistenverband (DJV) kritisieren die Pläne als überzogen und unpräzise.
Mit der Verschärfung des Sexualstrafrechts reagiert die Bundesregierung auf den sogenannten Fall Edathy. Der frühere Bundestagsabgeordnete hatte, so der Verdacht, bei einem kanadischen Anbieter Nacktfotos von Kindern und Jugendlichen gekauft. Das könnte zum damaligen Zeitpunkt nach deutschen Recht nicht strafbar gewesen sein – Genaues wird wohl erst der Prozess gegen den früheren Politiker zeigen.
Für Bundesjustizminister Heiko Maas und sein Ministerium war der Fall jedenfalls Anlass, das Sexualstrafrecht in Deutschland ein weiteres Mal zu verschärfen. Und zwar in diesen Punkten:
Verjährung: Künftig können Menschen, die als Minderjährige sexuell missbraucht wurden, noch bis zum Alter von 50 Jahren Anzeige gegen den Täter erstatten und dieser wird strafrechtlich verfolgt.
Nacktfotos werden strafbar: Wer Nacktfotos von Erwachsenen, Jugendlichen oder Kindern macht und verbreitet oder in Tauschbörsen anbietet, wird bestraft. Das gilt bereits dann, wenn dabei Persönlichkeitsrechte verletzt wurden, zum Beispiel also die Eltern der Kinder nicht nach ihrem Einverständnis gefragt wurden.
„Peinliche“ Fotos werden strafbar: Strafrechtlich verfolgt werden können künftig auch Menschen, die Bilder von anderen verbreiten, die geeignet sind, „dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden“
Strafbare Posing-Bilder: Schon heute ist es in Deutschland verboten, Kinder und Jugendliche „in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung“ zu zeigen, etwa in Bildern oder Videos. Künftig wird es aber nicht mehr erforderlich sein, dass die Körperhaltung aktiv eingenommen wird. Das bedeutet, auch Bilder von schlafenden Kindern in einer solchen Körperhaltung sind zukünftig strafbar.
Cybergrooming per Internet wird strafbar: Wer Kinder und Jugendliche über das Internet dazu bringt, an sich sexuelle Handlungen vorzunehmen – etwa in Video-Chats – muss künftig mit Freiheitsstrafen rechnen.
Anwälte: „Beim Fotografieren in der Familie droht der Staatsanwalt“
Der Gesetzentwurf stieß umgehend auf Kritik. Der Deutsche Anwaltverein etwa sprach von einer „unverhältnismäßigen Vorverlagerung der Strafbarkeit, wenn schon das Fotografieren im privaten Raum ohne strafbare Absicht unter Strafandrohung gestellt werden soll.“ Mit dem geplanten Gesetz werde etwas unter Strafe gestellt, was selbst nicht strafwürdig ist, nur weil es möglicherweise den Einstieg in ein strafwürdiges Verhalten darstellen könnte. „Dies widerspricht unserem Grundverständnis, wonach nicht einmal das, was gegen den guten Geschmack verstößt oder auch ethisch bedenklich ist, allein deshalb unter Strafe gestellt werden sollte“, so der Anwaltverein. Und weiter: „Bereits beim Fotografieren in der Familie droht der Staatsanwalt. Etwa, wenn im Sommer bei einem Kindergeburtstag sich die kleinen Kinder unter einem Rasensprenger abkühlen.“
Journalistenverband: Unpräzise Regelung gefährdet Arbeit von Bildjournalisten
Auch der Deutsche Journalistenverband kritisierte die geplante Neuregelung. „Das vom Bundeskabinett beschlossene Gesetz zur Verschärfung des Sexualstrafrechts schießt über sein legitimes Ansinnen hinaus, indem es die Arbeit der Bildjournalistinnen und -journalisten und damit die Presse- und Rundfunkfreiheit auf unvertretbare Weise einschränkt“, so der DJV. Denn das Gesetz stelle über die bisherigen Strafbarkeitsregelungen hinaus Bilder unter Strafe, die geeignet sind, „dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden“.
Sprecher des Medienbündnisses kritisierten die „unpräzise Regelung und die fehlende Auseinandersetzung mit den bisher für Medien geltenden Regelungen“. Schon bisher sei die Verbreitung von Fotos, die berechtigte Interessen der abgebildeten Person verletzten, strafbar. Darüber hinaus bestehe keine Notwendigkeit, die Arbeit der Medien einzuschränken. Bereits heute gäben zahlreiche von Prominenten angestrengte Gerichtsverfahren gegen die Veröffentlichung von Fotos in den Medien einen Vorgeschmack auf die zu erwartenden Rechtsstreitigkeiten, wenn das Gesetz in der vorliegenden Form vom Bundestag verabschiedet werde. Es könne nicht Aufgabe der Bildjournalisten und ihrer Redaktionen sein, zur Vermeidung möglicher Rechtsstreitigkeiten ihre Arbeit mit juristischen Kommentaren unter dem Arm zu verrichten.