Europäischer Gerichtshof hält pauschale Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig

Fotolia/kamasigns

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Eine pauschale Vorratsdatenspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten ist nach europäischem Recht illegal. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden. Das hat wohl auch Folgen für die in Deutschland 2015 eingeführte – aber noch nicht umgesetzte – Vorratsdatenspeicherung.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute entschieden, dass eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Aus den so gesammelten Daten könnten nämlich „sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen, deren Datenauf Vorrat gespeichert wurden, gezogen werden“.

Ausnahmen von diesem Verbot der Vorratsdatenspeicherung seien nur zum Zweck der Bekämpfung schwerer Straftaten oder bei konkreter Bedrohung der öffentlichen Sicherheit weiter möglich. Der Umfang der gespeicherten Informationen müsse auf „das absolut Notwendige“ beschränkt werden. Zudem ist es nach Auffassung des Gerichtshofs unerlässlich, dass der Zugang zu den gespeicherten Daten grundsätzlich, außer in Eilfällen, einer vorherigen Kontrolle entweder durch ein Gericht oder eine unabhängige Stelle unterworfen wird. Außerdem müssen die zuständigen nationalen Behörden, denen Zugang zu den gespeicherten Daten gewährt wurde, die betroffenen Personen davon in Kenntnis setzen“, hieß es weiter.

Das Urteil war die Folge von Anfragen von Gerichten aus Schweden und Großbritannien.

Bei den Gegnern der VDS stieß das Urteil auf Zustimmung und Erleichterung. „Mit seinem heutigen Urteil zur Vorratsdatenspeicherung macht der Europäische Gerichtshof allen Sicherheitsesoterikern und Überwachungsfanatikern einen dicken Strich durch die Rechnung“, sagte Volker Tripp, politischer Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.  „Nun muss auch Deutschland reagieren und die erst im vergangenen Jahr verabschiedete Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung ein für allemal auf den Müllhaufen der Geschichte verbannen.“

Auch der Deutsche Journalistenverband bewertete das Urteil positiv. Der DJV lehnt die Vorratsdatenspeicherung wegen der damit verbundenen Einschnitte in den Informantenschutz ab. „Karlsruhe ist zwar frei in seinen Entscheidungen“, stellt der DJV-Vorsitzende Frank Überall fest, „aber es ist schwer vorstellbar, dass die deutschen Verfassungsrichter völlig anders entscheiden als ihre Luxemburger Kollegen.“

„Wir stellen uns ernsthaft die Frage, warum Union und SPD ständig mit ihren angeblichen sicherheitspolitischen Maßnahmen gegen Europa- und Verfassungsrecht verstoßen“, kommentierte der FDP-POlitiker Wolfgang Kubicki die Entscheidung. „Es ist kein Ausweis einer verantwortungsgeleiteten Politik, wenn Verfassungsgerichte einspringen müssen, um schwarz-rote Bürgerrechtseinschränkungen wieder einzukassieren.“
 
Bei den Freien Wälern in Bayern hieß es: Der EuGH hat heute eine gute Balance zwischen berechtigtem staatlichem Strafverfolgungsinteresse und unverzichtbarem Datenschutz im Sinne einer offenen Gesellschaft geschaffen. Deshalb muss die Bundesregierung nun prüfen, ob ihr erst im vergangenen Jahr neu geschaffenes Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung dem Urteilsspruch entspricht.“
 
Ein Sprecher des Justizministeriums sagte Spiegel Online in einer ersten Reaktion, man werde das Urteil sorgfältig prüfen: „Die Bundesregierung hält das deutsche Gesetz aber weiter für verfassungs- und europarechtskonform.“
 
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