Sie haben schon viele Familien in finanzielle Schwierigkeiten gebracht: kostenlose Spiele, die plötzlich teuer werden. Denn sogenannte Browsergames oder Minigames im Internet kosten zunächst einmal tatsächlich nichts. Wer aber weiterkommen will, muss über Premium SMS oder 0900-Anrufe teure Extras („virtuelle Güter“) kaufen. Eine Kostenfalle – für Kinder und ihre Eltern.
Es beginnt meist ganz harmlos. Viele Anbieter stellen Browsergames – also Spiele, die ohne Installation und ohne zusätzliche Geräte am Computer gespielt werden können – kostenlos zur Verfügung. Doch wenig später geht es los: Wer im Spiel besser, schneller, oder erfolgreicher als seine Konkurrenten sein will, muss sich Sonderausstattungen (sogenannte virtuelle Güter) zulegen – etwa eine bessere Ausrüstung für seine Spielfigur, zusätzliche Fähigkeiten oder überlegene Waffen. Die aber gibt es nur gegen Bares. Genauer: per Bestellung über Paypal, teure Premium SMS oder Anrufe auf 0900-Nummern. „Millionen Mitspieler, überwiegend Kinder und Jugendliche, werden permanent zum Kauf von magischen Hufeisen oder von leistungsförderndem Futter für Tiere animiert“, bringt es die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen auf den Punkt.
Um Geld für eigentlich kostenlose Spiele auszugeben, muss man nicht einmal besonders ehrgeizig sein. Denn viele Anbieter bauen ganz bewusst sogenannte Flaschenhälse in ihre Online-Spiele ein – also Stationen, bei denen es ohne teure Extras nicht mehr weitergeht. „Ein typisches Mittel, um Spieler zu zahlenden Kunden zu machen, ist beispielsweise die Laufgeschwindigkeit der Figur. Diese ist in der Regel niedrig gehalten. Will man dann in den großen virtuellen Welten schneller reisen, muss man das bezahlen“, berichtete Michael Trier, Chefredakteur „Gamestar“, im ZDF.
Das Problem bei den scheinbar kostenlosen Browsergames oder Minigames ist das Ausnutzen unseres Spieltriebs. Vor allem Kinder und Jugendliche verfallen im Spiel schnell der Gefahr, nicht mehr auf die Kosten zu achten, wenn sie durch zusätzliche Investitionen schneller oder erfolgreicher sein können – zumal es sich oft nur um geringe Summen handelt. Die allerdings summieren sich sehr schnell. In Gerichtsverfahren, in denen Telefonnutzer wegen Forderungen für Browsergames verklagt wurden, geht es nicht selten um Summen von mehreren tausend Euro. Betroffen sind davon dann nicht allein die Jugendlichen, die die teuren Zusatz-Features bestellt haben, sondern deren Eltern. Denn sie sind in der Regel die Anschlussinhaber des genutzten Handys und Telefons und werden deshalb zur Kasse gebeten. Allein im Jahr 2010 wurden in Deutschland mit Internet-Spielen rund 268 Millionen Euro umgesetzt.
Als Zahlungswege werden beim Aufrüsten von Browsergames meist Bezahldienste wie Paypal, ClickandBuy, paysafecard oder Kreditkarte angeboten – alles Dienste, die sich an Erwachsene richten. Möglich ist allerdings auch die Bezahlung durch Premium SMS und Anrufe zu 0900-Nummern. Hier greifen Kinder und Jugendliche gerne auf das Telefon der Familie zurück – oder das Handy, das ihnen die Eltern zur Verfügung gestellt haben. Beides wird so zur Kostenfalle. Denn die Rechnung, von den Minderjährigen verursacht, sollen schließlich die Eltern bezahlen. Und da beginnen die rechtlichen Probleme. Denn die Rechtsprechung ist in diesen Fällen alles andere als eindeutig.
Die Rechtslage zum Thema Bezahlung für Browsergames ist in Deutschland nicht einheitlich. Eine höchstrichterliches Urteil gibt es derzeit nicht.
Ein Kind hatte für die Freischaltung weiterer Extras in einem Browsergame mehrfach kostenpflichtige Premium-Nummern angerufen. so kamen in drei Monaten 430 Euro zusammen. Der Telefoninhaber weigerte sich, dieses Geld zu bezahlen. Er hätte seinem Kind verboten, kostenpflichtige Telefonnummern anzuwählen. Die Richter gaben dem Vater Recht. Der Sohn sei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses beschränkt geschäftsfähig gewesen. Der Vertrag sei deshalb schwebend unwirksam gewesen und hätte durch den Vater genehmigt werden müssen. Dies sei nicht erfolgt. Amtsgericht Hamburg, Urteil v. 12.01.2011 – Az.: 7c C 53/10
In diesem Fall hatte ein 13-Jähriger 2008 das Spiels „Gladiatus – Hero of Rome“ gespielt. Um seine Erfolgschancen zu verbessern, besorgte er sich diverse kostenpflichtige Extras. die bezahlte er mit der Spielwährung „Rubine“, die er wiewderum per Anruf auf eine teure 0900-Nummer bekam. Bitten weniger Wochen vertelefonierte der 13-Jährige so über den Telefonanschluss seiner Eltern rund 2800 Euro.
Der Fall landete vor Gericht. Und das Landgericht Saarbrücken entschied: Die Eltern des 13-Jährigen müssen das Geld nicht bezahlen. Zwar habe der Jugendliche den 0900-Dienst genutzt. Geld dürfe die Firma jedoch dafür nicht fordern -weil sie durch das Inkasso unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) begehe, und weil es sittenwidrig sei, für den Vertrieb kostenpflichtiger „Features“ aus unwirksamen Rechtsgeschäften mit beschränkt Geschäftsfähigen über 0900-Nummern abzurechnen. „Wer sich angesichts der offenkundigen Attraktivität des Spieles für Minderjährige einerseits und der leichten Verfügbarkeit der Bezahlmöglichkeit Telefon andererseits darauf zurückzieht, man wisse schließlich nicht, wer der Anrufer sei, nimmt letztlich in Kauf, dass in einer nicht unbedeutenden Anzahl von Fällen beschränkt Geschäftsfähige ohne Wissen oder Einverständnis der Eltern entsprechende Anrufe tätigen und profitiert sehenden Auges davon“, so die Richter. „Wer Minderjährige – bildlich gesprochen – animiert, unbefugt in den Geldbeutel der Eltern zu greifen, handelt sittenwidrig, auch wenn die Eltern so fahrlässig waren, den Geldbeutel nicht wegzuschließen“, urteilten die Richter wörtlich – eine schallende Ohrfeige für viele Firmen, die mit ihren Browserspielen ganz gezielt Jugendliche abzocken – weil sie wissen, dass deren Eltern schon bezahlen werden. Landgericht Saarbrücken, Urteil v. 22.06.2011 – Az. 10 S 60/10
Ein Jugendlicher hatte mit Anrufen auf eine 0900-Nummer virtuelle Währung (“Drachenmünzen”) und virtuelle Gegenstände für das Online-Spiel Metin2 gekauft. Die Gesamtrechnung belief sich auf 2427 Euro. Zahlen sollten seine Eltern – über deren Telefonanschluss hatte der Jugendliche die 0900-Anrufe getätigt.
Das Landgericht Darmstadt verurteilte die Eltern tatsächlich zur Bezahlung. Der Vertrag über den Kauf der „Drachenmünzen“ sei zwischen den Eltern als Anschlussinhaber und dem Bezahlanbieter zustande gekommen. Der Sohn habe sie in diesem Fall lediglich vertreten. Zwar hätten die Eltern die 0900-Anrufe ihres Sohnes nicht bewusst geduldet. „Allerdings muss der Anschlussinhaber zur Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) alle ihm zumutbaren geeigneten Vorkehrungen treffen, um eine von ihm nicht gebilligte Nutzung seines Telefons zu unterbinden“, so das Gericht. Erschwerend hinzu sei gekommen, dass die Eltern die streitgegenständliche Rechnung nicht innerhalb von acht Wochen beanstandet hatte. Landgericht Darmstadt, Urteil vom 25.09.2009 – Az.: 21 S 32/09
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