Cyber-Stalking ist ein kriminelles Phänomen, das den Ruf eines Menschen aufs Übelste beschädigen kann. Was hinter dieser Form des digitalen Psycho-Terrors steckt und wie man sich als Opfer wehren kann, erklären wir auf dieser Seite.
Petra Aumiller hatte Angst. Blanke Angst. Wenn die Tür klingelte. Wenn eine neue Mail eintraf. Oder wenn sie ihren Namen googelte. Seit Wochen ging das schon so. Alle ein, zwei Tage kam der Briefträger vorbei, brachte Pakete, die sie angeblich bei Amazon und anderen Online-Händlern bestellt hatte. Per Mail erreichten sie Kontaktangebote, oft schlüpfriger Art. Sie habe doch, war da zu lesen, in Foren um sexuelle Kontakte gebeten, mitsamt ihrer Adresse und Foto. Hier seien die Antworten. Und bei Google erschienen die merkwürdigsten Blog- und Foreneinträge ganz oben, wenn sie ihren Namen eingab. Sexuelle Fantasien, unter ihrem Namen geschrieben. Drohungen gegen Dritte, ebenfalls mit ihrem Namen unterzeichnet. Sogar eine Ankündigung, Amok zu laufen, war unter ihrem Namen und mit ihrer Adresse zu finden, bei einem Bloghoster in Asien, der anonyme Anmeldungen zuließ.
Ganz klar: Petra Aumiller war ins Visier eines Stalkers geraten, genauer: eines Cyber-Stalkers.
Der Begriff Stalking kommt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt so viel wie Heranpirschen oder Belauern. Im übertragenen Sinn versteht man unter Stalking, wenn ein Mensch einen anderen massiv und dauerhaft unter psychischen Druck setzt, ihm also auflauert, ihn unerwünscht kontaktiert oder ihn verfolgt.
Die Motive für diese Form des Psychoterrors sind vielfältig: unerwiderte Liebe zählt ebenso dazu wie Rache, Hass, verletzte Ehre, oder auch eine psychische Störung des Täters. In der Mehrzahl der beobachteten Fälle sind oder waren Täter(in) und Opfer vor Beginn des Stalkings persönlich oder intim bekannt. Es gibt jedoch auch andere Fälle. So werden immer wieder auch Prominente Opfer von Stalking durch „Fans“.
Cyber-Stalking bezeichnet ein Tatverhalten, bei dem das klassische Stalking auf den Bereich des Internets übertragen wird. Das Internet oder andere digitale Kommunikationsmedien werden also instrumentalisiert, um das Opfer psychisch unter Druck zu setzen oder ihm in anderer Form zu schaden. Die Täter nutzen dabei aus, dass sie bei diesen Medien in einer relativen Anonymität agieren können und dass sie durch die große Verbreitung des Internets einen breiten Adressatenkreis erreichen – womit im Umkehrschluss der psychische Druck auf ihr Opfer größer wird.
Auch für Cyber-Stalking gibt es verschiedene Motive – von unerfüllter Liebe bis zum Hass. In jüngster Zeit ist beim Cyberstalking allerdings auch eine gewisse Professionalisierung festzustellen. Die Täter betreiben ihr sozialschädliches Handwerk, um Menschen aus rein geschäftlichen Interessen heraus zu schaden – oder werden von Dritten dafür bezahlt, um Konkurrenten oder andere unliebsame Menschen einzuschüchtern.
Stalking ist kein geschlechtsspezifisches Phänomen. Allerdings sind in der überwiegenden Zahl der Fälle Männer die Täter und Frauen die Opfer. Australische Forscher gehen in einer groben Aufteilung von fünf verschiedenen Tätergruppen aus: zum einen Ex-Partner, Verwandte oder Freunde, die durch Stalking eine Aussöhnung erreichen wollen, zum zweiten Verliebte, deren Liebe nicht erwidert wird, zum dritten so genannte inkompetente Verehrer, die ein Treffen mit einer Person erreichen wollen, in die sie gar nicht verliebt sind, zum vierten Stalker, die schlichtweg Angst und Schrecken verbreiten wollen. Eine fünfte Tätergruppe sehen Forscher in tatsächlich gewaltbereiten Stalkern, die ihren Opfer physischen Schaden zufügen wollen.
Eine neuere Gruppe der Cyber-Stalker sind Täter, die aus finanziellen und/oder geschäftlichen Gründen entsprechende Straftaten begehen. Ihre Zahl dürfte in Zukunft weiter zunehmen, wenn Politik und Gestzgeber nicht schnellstmöglich entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten.
Cyber-Stalking tritt in den unterschiedlichsten Formen auf, abhängig von der kriminellen Energie des Täters und seinen Möglichkeiten. Denkbar und praktiziert wird Cyber-Stalking unter anderem in Form von
Der Trend, sich in den verschiedensten Formen öffentlich im Web zu präsentieren, birgt das Risiko, dass diese Daten von Dritten gesammelt und missbraucht werden (siehe unser Kapitel über Sicherheit in Communities). Social Phishing, also das „Abfischen“ von sozialen Daten, kann schlimmstenfalls zur Grundlage für Cyber-Stalking-Attacken werden.
Denkbar ist, mit den gesammelten Daten eine falsche Identität des Opfers im Internet aufzubauen. So lässt sich aus den bekannten Fakten (Name, Adresse, Alter, Freundeskreis) und den veröffentlichten Bildern beispielsweise eine neue, vermeintlich persönliche Webseite des Opfers einrichten, die diese in ein neues, völlig falsches Licht rückt.
Social Phishing muss dabei auch in einem Kontext mit dem bekannten Phänomen des Daten-Phishings betrachtet werden. Beim normalen Phishing werden die Zielpersonen über gefälschte Mails und Webseiten dazu gebracht, ihre Zugangsdaten und Passworte preiszugeben. Hier werden beispielsweise Mails verschickt, die angeblich von der jeweiligen Hausbank (Sparkasse, Volksbank, Dresdner Bank) oder von Internetdiensten (Ebay, Amazon) stammen. Die in solchen Fällen von den Opfern preisgegebenen Daten können unter Umständen als Ergänzung der Daten und Fakten missbraucht werden, die von den Tätern im Rahmen des Social Phishings gesammelt wurden. Sprich: Wer es darauf anlegt, sammelt von seinen Opfern Informationen über dessen private Lebensumstände, seine Bilder, und seine persönlichen Zugangscodes.
Mit diesem Fundus an Daten ist dem Cyber-Stalking Tür und Tor geöffnet.
Nur schwer vom Cyber-Stalking abgrenzbar ist das Cyber-Mobbing (englisch: Cyber-Bullying). Vom Cyber-Mobbing spricht man allerdings vor allem dann, wenn Schüler und Jugendliche Opfer von Verunglimpfung, Beschimpfung und Beleidigung auf Internet-Plattformen werden. Die Täter sind in diesen Fällen ebenfalls meist im Bekanntenkreis zu finden, etwa bei Mitschülern.
Am 31. März 2007 trat in Deutschland das Stalking-Gesetz in Kraft. Dabei handelt es sich um § 238 StGB. Dieser lautet wie folgt:
§ 238 Nachstellung
(1) Wer einem Menschen unbefugt nachstellt, indem er beharrlich
1. seine räumliche Nähe aufsucht,
2. unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu ihm herzustellen versucht,
3. unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für ihn aufgibt oder Dritte veranlasst, mit diesem Kontakt aufzunehmen,
4. ihn mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit seiner selbst oder einer ihm nahe stehenden Person bedroht, oder
5. eine andere vergleichbare Handlung vornimmt und dadurch seine Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.(2) Auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(4) In den Fällen des Absatzes 1 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.
Konkret können seitdem also auch Nachstellung mit Mitteln wie Internet und Mail strafrechtlich verfolgt werden. Ohnehin können die meisten Erscheinungsformen des Cyber-Stalkings straf- oder zivilrechtlich verfolgt werden. Strafrechtlich kommen – je nach Einzelfall – Beleidigung, Bedrohung, üble Nachrede, Fälschung beweiserheblicher Daten, Kreditgefährdung, Betrug, Computerbetrug oder Nötigung in Betracht.
Zivilrechtlich sind Abmahnung und Unterlassungsklagen, aber auch Schadensersatzforderungen denkbare Wege, um gegen die Täter vorzugehen.
Nachfolgend haben wir einige Tipps zusammengefasst, wie Sie als Opfer von Cyber-Stalking in den verschiedenen Erscheinungsformen vorgehen können.
Schalten Sie sofort(!) Ihre örtliche Kriminalpolizei ein. Sichern Sie die Mail(s) und händigen Sie diese den Ermittlern aus. Bitten Sie den Sachbearbeiter, auch bei der örtlichen Polizei-Einsatzzentrale Bescheid zu geben sowie zu Ihren Personendaten im polizeiinternen Informationssystem einen entsprechenden Eintrag vorzunehmen. Das kann Ihnen später eine Menge Ärger ersparen. Und: Informieren Sie ggf. auch einen Rechtsanwalt vorab, damit dieser bereits Bescheid weiß, wenn schnelle Reaktion gefordert ist.
Nehmen Sie die Pakete nicht an und informieren Sie auch Ihre Nachbarn frühzeitig, dass diese keine Waren für Sie annehmen sollen. Wichtig zu wissen: Sie sind nicht verpflichtet, den betroffenen Firmen nachzuweisen, dass Sie nichts bestellt haben. Einen Vertragsschluss müssten die Firmen nachweisen. Letztlich sind also vor allem die Unternehmen geschädigt, die unsichere Bestellungen zulassen.
Finden Sie heraus, von wem die Seite betrieben wird. Bei deutschen Seiten (erkennbar an der Endung .de) erfahren Sie den Betreiber und damit Verantwortlichen über eine Anfrage unter der Adresse www.denic.de. Fordern Sie den Verantwortlichen schriftlich auf, die strittigen Beiträge sofort zu entfernen. Setzen Sie dabei eine angemessene Frist. Fordern Sie den Verantwortlichen – wenn es sich nicht um den Stalker selbst handelt – auf, Ihnen den Autor des strittigen Beitrags zu nennen. Kann er dies nicht, fordern Sie die Herausgabe der IP-Adresse. Sollten Sie dabei auf Probleme stoßen, schalten Sie umgehend einen Anwalt ein.
Bei im Ausland betriebenen Webseiten nehnmen Sie Kontakt mit dem Betreiber des Dienstes auf, schildern Sie ihm die Lage und bitten um Löschung der Einträge, bzw. des Accounts des Täters.
Gehen Sie vor wie oben. Der Betreiber einer deutschen Internetseite ist nach deutschem Recht dazu verpflichtet, rechtswidrige Beiträge oder Bilder umgehend zu entfernen, wenn er davon positive Kenntnis erlangt. Fordern Sie den Betreiber der Seite oder des Forums auf, Ihnen den Lieferanten des Bildes oder der Bilder zu nennen, da Sie zivilrechtliche Ansprüche gegen den Täter geltend machen wollen. Bei Problemen schalten Sie auch hier einen Anwalt ein.
Nehmen Sie in diesem Fall sofort Kontakt mit dem Betreiber der Seite auf und bitten sie ihn um Entfernung der fraglichen Texte oder Bilder. Lassen Sie sich in diesem Fall gegebenenfalls von einem fachkundigen Anwalt beraten, ob und wie Sie notfalls gegen den ausländischen Verantwortlichen vorgehen können.
Schließen Sie sich mit Ihrer ermittelnden Polizeidienststelle kurz und besprechen Sie weitere Maßnahmen. Auch hier gibt es Mittel und Wege, den Urheber herauszufinden. Dies kann zum Beispiel auf dem Wege der Rechtshilfe erfolgen.
In diesem Fall können Sie bedauerlicherweise kaum etwas gegen die weitere Verbreitung der Bilder tun, da Newsgroups und Tauschbörsen dezentral ausgerichtet sind, also kein direkter Verantwortlicher zu finden ist. Allerdings ist in Newsgroups in vielen Fällen herauszufinden, wer und wann die Bilder oder Filme ursprünglich online gestellt hat. Das ist für Profis einfach zu identifizieren. Gehen Sie in solchen Fällen direkt gegen den Täter vor. Auch dabei hilft Ihnen ein Anwalt.
Die zunehmende Personalisierung des Internets birgt erhebliche Risiken für Datenschutz und persönliche Integrität – eine Gefahr, der sich die Akteure nur in den wenigsten Fällen bewusst sind. Beachten Sie dazu unser Kapitel zum Thema Sicherheit in Communities.
Stalking-Opfer sollten den Tätern in einem möglichst frühen Stadium Einhalt gebieten. Professionelle Hilfe gibt es bei mehreren Stellen:
Sicherheit in Communities und Social Networks
Identitätsdiebstahl: Missbrauch des eigenen Namens
Cyber-Stalking: Psycho-Terror per Internet
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