Die Geschichte der Dialer in Deutschland ist eng verbunden mit Missbrauch und abgezockten Internetsurfern, mit immer neuen Tricks, einer Entwicklung der Rechtssprechung und politischen Entscheidungen. Eine Chronologie.
30. Dezember 1999
Im deutschen Usenet, genauer, in der Gruppe de.soc.kontakte.freizuegig, wird vor einer Datei namens AutoRas.exe gewarnt, die unter Windows eine neue DFÜ-Verbindung anlege und unbemerkt eine 0190-Nummer anwähle. Es ist der erste dokumentierte Bericht über Missbrauch eines Dialers.
11. März 2000
In der Gruppe de.soc.kontakte.freizuegig wird eine Kontaktnachricht veröffentlicht, die direkt zum Download eines teuren Dialers führt. Wenig später wird in der Newsgroup vor dem Download des Programms gewarnt. Dabei ist von einem „0190-dialer“ die Rede – es ist erste Mal, dass dieser Begriff verwendet wird.
April 2000
Im Internet kursiert der Dialer TSCash. In Einzelfällen liege der Schaden durch unbemerkte 0190-Einwahlen bei 600 Euro, heißt es im Usenet.
Juli 2000
Im Usenet wird für Webseiten geworben, auf denen ein 0190-Dialer der Firma Interfun lauert. Knapp ein Jahr später werden erste Beschwerden über Spam-Mails mit Interfun-Dialern laut. Die Einwählprogramme sind unter verschiedenen Namen getarnt und oftmals über ActiveX gesteuert.
ab April 2001
Ganz gezielt werden im Usenet Mailadressen gesammelt. Auf diese werden anschließend Spam-Mails mit Links zu 0190-Dialern verschickt.
August 2001
Per Spam-Mail wird ein angeblicher Radarwarn-Report beworben. Der Link in der Mail führt direkt zum Download eines 0190-Dialers, der 3,63 Mark pro Minute abrechnet.
September 2001
Über ICQ und per Spam werden angeblich gecrackte 0190-Dialer beworben. Wer an das angeblich kostenlose Programm glaubt, lädt sich eine Dialer auf den Rechner, der nicht nur teure Einwahlen verursacht, sondern auch Schutzprogramme ausschaltet. Geradezu berüchtigt werden die angeblich gecrackten 0190-Dialer der „Porno Hacker Crew“. Diese werden unter Betreffs wie „Mahnung“, „Wichtige Mitteilung“, „Abmahnung“ oder „Fristlose Kündigung“ millionenfach per Mail verschickt.
01. Januar 2002
Die 0190-0-Nummern werden in Deutschland freigeschaltet. Die Nummern sind völlig frei tarifierbar, es gibt keine Obergrenze. Damit wird der Einsatz von 0190-Dialern erstmals richtig lukrativ.
11. Januar 2002
Die Seite Dialerschutz.de geht online.
Februar 2002
Über die Internetseite www.cebit-2002.de wird ein Dialer verbreitet, der pro Einwahl mit 300 Euro zu Buche schlägt. Abgerechnet werden die Kosten über den Hamburger Provider Hansenet. Der 300-Euro-Dialer namens X-Diver wird von der Düsseldorfer EOPS AG hergestellt und sorgt auch in den folgenden Monaten für Wirbel.
28. Februar 2002
Auf einer Internetseite taucht ein Dialer auf, der angeblich pro Einwahl 900 Euro abrechne. Damit erhalte der Nutzer ein Jahr lang Zugang zu einem Erotikangebot. Das Einwählprogramm sorgt bundesweit für Schlagzeilen.
06. März 2002
Das Bundesverbraucherministerium kündigt an, dem „üblen Betrug“ mit Dialern ein Ende zu bereiten. Beobachter werten die Absichtserklärung als unmittelbare Reaktion auf das Auftauchen des 900-Euro-Dialers.
März 2002
Der Netzbetreiber HanseNet GmbH, durch hohe Dialer-Rechnungen in die Schlagzeilen geraten, sperrt alle seine 0190-0-Nummern. Diese waren für hochtarifierte Dialer verwendet worden.
April 2002
Eine neue Welle von Spam-Mails überschwemmt Deutschland. Beworben werden Dialer-Seiten der Berliner Firmen Starweb-Service GmbH und der Mainpean GmbH. Der Geschäftsführer der Firmen bestreitet, mit den Werbemails etwas zu tun zu haben. „Wir verschicken keinen Spam mehr, seit dies in Deutschland verboten ist“, erklärt er gegenüber heise.de.
April 2002
Opfer des Dialer-Missbrauchs wenden sich an den Petitionsausschuss des Bundestages. Sie fordern, dem Missbrauch teurer Einwählprogramme endlich ein Ende zu setzen.
August 2002
Eine neue Telekommunikations-Kundenschutzverordnung tritt in Kraft. Damit soll der Missbrauch von 0190-Nummern eingedämmt werden. Die Verordnung sieht unter anderem vor, dass Netzbetreiber geeignete Maßnahmen ergreifen müssen, wenn sie gesicherte Kenntnis über den Missbrauch einer von ihr betriebenen 0190-Nummer erlangen.
August 2002
Eine neue Form von Dialern kursiert im Internet. Die so genannten TAPI-Dialer wählen sich nicht nur unerkannt ein, sie verwischen auch anschließend alle Spuren der teuren Einwahl.
Oktober 2002
Unzählige Internetsurfer erhalten Spam-Mails in denen behauptet wird, für die Empfänger sei eine Grußkarte hinterlegt. Wer dem Link folgt, lädt sich einen 0190-Dialer auf den PC.
Dezember 2002
Unbekannte missbrauchen den Windows-Nachrichtendienst, um arglose Surfer auf Dialer-Seiten zu locken. Zeitgleich bietet ein Hamburger Unternehmen einen Dialer an, der sich über eine 0192-Nummern einwählt. Kosten für den Verbraucher: 29,99 Euro pro Einwahl zuzüglich 2,99 Euro pro Minute. Drei Monate später wird dieser Dialer per Spam-Mail beworben.
12. Dezember 2002
Das Oberlandesgericht Hamm stellt in einem Urteil fest, dass teure 0190-Nummern nach einer Stunde seitens des Betreibers getrennt werden müssen.
März 2003
Der erste 0190-Dialer für das Betriebssystem Mac OS taucht auf – und verschwindet wenig später wieder im virtuellen Nirvana.
April 2003
Das Bundeskabinett verabschiedet den Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Missbrauchs von 0190- und 0900-Mehrwertdienstenummern.
Mai 2003
Der Bundesrat fordert Nachbesserungen beim geplanten Gesetz gegen den Missbrauch teurer Nummern.
11.Juli 2003
Nach dem Bundestag verabschiedet auch der Bundesrat das Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs von 0190/0900-Mehrwertdiensten. Dieses sieht unter anderem eine Preisobergrenze für diese Nummern und eine Registrierungspflicht für Dialer bei der Bundesnetzagentur (früher: Regulierungsbehörde) vor.
28. Juli 2003
Die Bundesnetzagentur (damals: Regulierungsbehörde) stellt ein Abfrageformular online, über das Internetsurfer den Betreiber einer 0900- Nummer herausfinden können.
15. August 2003
Das neue Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs von 0190/0900-Mehrwertdiensten tritt in Kraft.
September 2003
Erstmals wird ein Dialer bekannt, der sich über eine 0137-Nummer einwählt.
Oktober 2003
Dialer-Anbieter entdecken eine neue Zielgruppe: Kinder und Jugendliche. Fortan werden etliche Seiten ins Netz gestellt, die sich ganz gezielt mit ihren Themen an Minderjährige richten. In die Schlagzeilen geraten insbesondere die so genannten Referate- und Hausaufgaben-Dialer.
Oktober 2003
Die damalige Regulierungsbehörde entzieht knapp 400.000 Dialern rückwirkend die Registrierung. Die Einwählprogramme entsprachen nicht den gesetzlichen Vorgaben.
November 2003
Polizei und Verbraucherschützer müssen sich mit einer neuen Form der Abzocke mit Dialern befassen: Einwählprogramme, die hoch tarifierte Satellitennummern nutzen.
14. Dezember 2003
Dialer dürfen sich in Deutschland nur noch über die Rufnummerngasse 09009 einwählen – eine Vorgabe des Mehrwertdienste-Gesetzes vom August 2003.
Januar 2004
Unseriöse Geschäftemacher haben eine neue Masche entdeckt, Internetsurfer abzuzocken: Dialer, die Auslandsnummern wählen.
05. März 2004
Der Bundesgerichtshof fällt das erste höchstgerichtliche Urteil zu Dialern in Deutschland. Es fällt verbraucherfreundlich aus: Telefonkunden sind demnach Netzbetreibern gegenüber nicht zur Zahlung von 0190- und 0900-Gebühren verpflichtet, wenn der Dialer sich heimlich einwählte und dem Anschlußinhaber insofern kein Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten zur Last fällt.
April 2004
Die Regulierungsbehörde (heute: Bundesnetzagentur) entzieht erneut rund 25.000 Dialern nachträglich und rückwirkend die Registrierung. Auch in diesen Fällen entsprachen die Einwählprogramme nicht den Vorschriften.
August 2004
Das Bundesverbraucherministerium spricht sich gegen ein generelles Dialer-Verbot in Deutschland aus. Ein solches Verbot träfe auch die seriösen Anbieter, die in der Überzahl seien, erklärt das Ministerium.
September 2004
Experten von Dialerschutz.de und Computerbetrug.de gelingt der Nachweis, dass auch vermeintlich rechtskonforme, registrierte Dialer manipuliert und für Betrugsmanöver missbraucht werden.
Januar 2005
Die Bundesnetzagentur (damals: Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post) sperrt rund 30.000 Dialern die Einwählnummer. Man habe gesicherte Kenntnis der rechtswidrigen Nutzung dieser Nummern, erklärt die Behörde.
März 2005
Für 09009-Dialer in Deutschland gelten neue Regeln. Kernpunkt der Vorgaben, die den Verbraucherschutz bei teuren Einwählprogrammen verbessern sollen, sind ein neues Informationsfenster und das ausdrückliche Verbot, Nutzer bei den entstehenden Kosten in die Irre zu führen. Für Dialer, die vor diesem Datum registriert wurden, gilt eine dreimonatige Übergangsfrist.
Mai 2005
Die damalige Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Reg TP) erklärt einmal mehr 41.000 Einwählprogramme für illegal.
17. Juni 2005
Die neuen Vorgaben, die im März 2005 für Dialer eingeführt wurden, werden endgültig für alle Einwählprogramme verbindlich. Verbraucher sehen die Neuregelung vor allem an einem Detail: Sie müssen nun in einem einheitlich vorgegebenen Informationsfenster über die entstehenden Einwahl-Kosten aufgeklärt werden.
Juli 2005
Viele Betreiber früherer Dialer-Seiten steigen auf das Zahlungsmittel Handy-Payment um. Schwarze Schafe der Branche greifen auch hier zu Tricks, die aus Zeiten des Dialer-Missbrauchs bekannt sind – von der mangelhaften Preistransparenz bis hin zur Masche, unter irreführenden Domain-Namen nicht, oder nur in anderer Form vorhandene Inhalte für viel Geld zu verkaufen.
Oktober 2005
Die Mobilfunkbetreiber reagieren auf den zunehmenden Druck von Öffentlichkeit, Medien und Politik. Handy Payment-Abonnements werden für dubiose Internetseiten gesperrt. Zugleich kündigen die Mobilfunkunternehmen O2, T-Mobile und E-Plus an, betroffenen Kunden die über Handy Payment im Internet entstandenen Kosten zu ersetzen.
31. Dezember 2005
In der Nacht zum 1. Januar 2006 werden die 0190-Nummern in Deutschland offiziell abgeschaltet und dürfen fortan nicht mehr eingesetzt werden. Damit geht im Bereich der Mehrwertdienste eine Ära zu Ende. Ersetzt werden die 0190-Nummern durch die Rufnummerngasse 0900.
Februar 2006
Die Bundesnetzagentur entzieht ein weiteres Mal rund 66.000 Dialern die Registrierung. Gleichzeitig verbietet sie rückwirkend zum 15. August 2003 Inkasso und Abrechnung für Verbindungen über diese Einwahlprogramme.
Mai 2006
In Osnabrück beginnt der Prozess gegen eine Bande von Großbetrügern, die in den Jahren 2003 und 2004 mit 0190-Dialern einen Schaden in zweistelliger Millionenhöhe angerichtet haben sollen.
Juni 2006
Zwei Beteiligte des Großbetrugs mit 0190-Dialern werden vom Osnabrücker Landgericht zu Bewährungsstrafen verurteilt.
Dezember 2006
Das Landgericht Osnabrück verurteilt die beiden Haupttäter des groß angelegten Betrugs mit 0190-Dialern zu Freiheitsstrafen von vier Jahren, bzw. drei Jahren und drei Monaten.
Dezember 2006
In den Weihnachtsfeiertagen läuft die bis massivste Welle von Lockanrufen mit 0137-Nummern, die es bis dahin (und seitdem) gab.
Juni 2007
Eine Briefkastenfirma namens COSTA BLANCA DE INFORMATICA Y TELEKOMMUNICACIONES SL mit Sitz im spanischen Altea zockt zig-tausende deutsche Anschlussinhaber mit Lockanrufen ab. Betroffenen werden Geld- oder Sachpreise versprochen, die sie über 0900-Nummern abrufen müssten.
September 2007
In Deutschland treten strengere Regeln für Mehrwertdienste-Nummern und Premium-SMS in Kraft. Zudem wird die Preisobergrenze für 0900-Nummern von zwei Euro/Minute auf drei Euro/Minute angehoben. Damit setzte sich die Mehrwertdienste-Lobby bei der Politik durch. Verbraucherschützer hatten vor diesem Schritt gewarnt.
4. September 2007
Kaum können für 0900-Nummern drei Euro/Minute verlangt werden, machen sich dies erste unseriöse Geschäftsleute zunutze. Sie täuschen Verbrauchern in Bandansagen angebliche Gewinne vor und verlocken sie so zu Anrufen auf 0900-Nummern – zu 2,99 Euro/Minute.
Oktober/November 2007
Die Bundesnetzagnetur teilt einer neuen spanischen (Briefkasten-)Firma 0900-Nummern zu. Die Nummern der „Holding Gulf Lion 2007 S.L.“ werden umgehend von Abzockern für Lockanrufe auf deutsche Telefonanschlüsse missbraucht.
Mai 2008
Die Bundesnetzagentur geht gegen drei österreichische Firmen vor, die unter dem Namen „Friedrich Müller“ seit Jahren deutsche Verbraucher mit Gewinnversprechen zu Anrufen auf teure 0900-Nummern bringen will.
Juli 2008
Bundesweit schalten dubiose Anbieter Stellenanzeigen im Internet und in Tageszeitungen, mit denen Interessierte zu Anrufen auf 0137-Nummern gebracht werden sollen. Jobs werden dabei offensichtlich nicht vermittelt. Die Bundesnetzagentur ordete später die Abschaltung der missbrauchten Nummern an.
August 2011
Das Bundeskabinett legt einen Gesetzentwurf vor, um die Abzocke mit Abofallen im Internet einzudämmen: die Button-Lösung. Fortan sollen Internetnutzer einen speziellen Button klicken, wenn sie kostenpflichtige Angebote im Netz nutzen wollen. Damit soll verhindert werden, dass Menschen kostenpflichtige Verträge untergeschoben werden.
August 2012
Die sogenannte Button-Lösung tritt in Kraft. Verkäufer im Internet müssen ihre Kunden nun besonders deutlich – unter anderem mit einer speziell beschrifteten Schaltfläche – über den Kauf und seine Vertragsbestandteile informieren.
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